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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feher
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Süße, da muss noch was rein.« Er langt hinter sich auf die Arbeitsplatte und zieht eine Flasche Whiskey hervor, will Manuel und mir einschenken.
    »Lass mal«, wehre ich ab, »ich bleib lieber beim Sekt.«
    »Den kannst du später mit den Damen weitertrinken. Wenn du mit mir anstößt, trinkst du was Richtiges, nicht so eine Kinderbrause.« Er nimmt mir mein Glas aus der Hand und schenkt ein, es war halb leer und nun ist es wieder voll, Manuel, Oleg und ich stoßen an und plötzlich sind auch Alena, Fiona, Patrick und Yuki dabei, Yuki ebenfalls im Arm eines Jungen, aber ihre Augen leuchten nicht, sie drückt sich nicht an ihn, lächelt ihm nicht zu und ihre Haare sitzen selbst jetzt, wo alle schon zwei Stunden lang getanzt haben, wie ein schwarzer Helm auf ihrem Kopf. Sie fixiert mich wie eine lauernde Katze, bereit zum Sprung, hebt aber auch ihr Glas und tippt damit gegen meines, irgendjemand stimmt ein Geburtstagslied an und dann trinken wir. So schlimm ist diese Whiskey-Cola-Mischung nicht, in einem Zug trinke ich mein Glas leer, Oleg hat recht, nie mehr werde ich meinen Achtzehnten feiern, und auch wenn dieser Abend nicht nach meinen Wünschen und Träumen verläuft, will ich ihn doch in angenehmer Erinnerung behalten.
    »Um wie viel Uhr bist du genau geboren?«, fragt Manuel, nachdem auch er sein Glas auf ex geleert hat. Wenigstens er ist noch nicht so blau, dass er nur noch pöbeln kann. »Weißt du es?«
    Ich werfe einen Blick auf die Küchenuhr an der Wand. »Das war genau jetzt, besser gesagt vor dreizehn Minuten. Um dreiundzwanzig Uhr achtundvierzig.«
    »Darauf heben wir noch einen«, ruft Oleg, und ehe ich es richtig mitbekomme, habe ich erneut ein volles Glas in der Hand und bin von allen umringt, noch einmal gratulieren sie mir und nehmen mich in ihre Mitte, umschließen mich eng, wieder taucht dieses Bild vor mir auf, Rapunzel in ihrem Turm, die Menschen um mich herum bilden die Wände. Vor meinen Augen beginnt sich alles zu drehen, die Gesichter der anderen wabern auf mich zu und wieder von mir weg, ich schwanke und höre mich reden, ohne recht zu wissen, was ich sage. Auf einmal löst sich die Runde auf und verteilt sich wieder in die anderen Zimmer, ich nutze die Zeit, um auf den Balkon zu gehen. In meinem Magen rumort es und es ist so eng in der Küche, ich brauche frische Luft.
    Im Wohnzimmer tanzen fast nur noch Mädchen, sogar Carla, die ich bis dahin noch kaum gesehen habe, versucht es. Sie sieht auffallend gut gelaunt aus, als ich an ihr vorbeigehe und die Balkontür ansteuere. Attila, Büsra, Matthias und Nick stehen auf dem Balkon und diskutieren wild gestikulierend über irgendetwas. Als ich die angelehnte Glastür öffne, verstummen sie.
    Die kalte, klare Herbstluft kühlt meine Stirn und Wangen, ich atme tief durch und allmählich nimmt auch das Drehen in meinem Kopf ab. Sobald ich mich besser fühle, versuche ich meine Gedanken zu sortieren. Es ist alles so verrückt – Manuel, Oleg, Fiona, Yuki und alle anderen; offenbar habe ich es geschafft, dass sie mich wieder zu ihrem Kreis zählen, ich bin nicht mehr artfremd, sie haben aufgehört, mich zu verfolgen, vielleicht sogar, mich zu hassen. Dennoch erscheint mir die Stimmung zwischen uns wie das Ende einer turbulenten Fahrt mit einem Karussell, in dem man eng nebeneinander gepfercht in Kabinen sitzt, die sich in alle Richtungen drehen, in denen man hin und her geschleudert wird, kopfüber und wieder zurück, immer schneller, in denen man kreischt und merkt, wie der Magen zu rebellieren beginnt. Man fühlt sich ausgeliefert, kann nicht fliehen vor dieser selbst gewählten Art von Spaß, bei der einem schlecht wird und bei der man das Ende herbeisehnt, wo man bei jeder neuen Drehung darauf wartet, dass die Fahrt sich verlangsamt, damit man wieder zu sich kommt, erkennen kann, wo oben und unten ist, sich selbst wieder wahrnimmt. Doch wenn es endlich so weit ist, das Fahrgeschäft steht und man endlich aussteigt, weiß man, dass das Unwohlsein noch lange nicht vorbei ist, sondern den ganzen Tag anhalten wird, vielleicht noch bis in den Schlaf hinein, und man kann sich nicht entspannen, keine weitere Aktivität genießen, bis alles ausgestanden ist.
    »Kommst du wieder mit rein?«, fragt Büsra einige Minuten später. »Ich will nachsehen, ob noch etwas von dem leckeren Kuchen übrig ist. Du musst deine Mutter unbedingt für mich nach dem Rezept fragen, machst du das?«
    »Kein Problem«, antworte ich und lächle sie an. »Aber ich bleibe

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