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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feher
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scheinen aneinander geheftet, er sieht mich nicht, darf mich nicht ansehen, es gibt uns nicht. Ich zahle an der Theke, dann steuere ich den Ausgang an, stutze, als ich meine Hand auf die Türklinke lege. Genau in Augenhöhe klebt ein Briefumschlag, er klebt schief, wie eilig mit einem Stück Tesafilm befestigt, mein Name steht darauf, ausgeschnittene einzelne Buchstaben aus einer Zeitung.
    Ich stehe starr, als hätte ich Magneten an meinen Schuhsohlen. Wer kann mir gefolgt sein, sogar bis hierher? Was soll das, in dieses Café bin ich allein gefahren und Corvin mit unserer Lehrerin, niemand kann mir gerade jetzt etwas unterstellen, etwas vorwerfen. Einen Moment lang überlege ich, einfach weiterzugehen und das Kuvert hängen zu lassen, doch dann würden es Corvin und Frau Bollmann entdecken, auch sie können nicht ewig im Café bleiben, ich will Corvin nicht beunruhigen, nicht so, ich kann es ihm später erzählen. Kurz entschlossen reiße ich den Umschlag ab und stecke ihn ein, trete auf die Straße und blicke mich gehetzt um, überall kann jemand sein, hinter jedem Hauseingang, jedem Stromkasten, jeder Litfaßsäule, bis hierher haben sie mich verfolgt. Sie beobachten mich weiter, lechzen nach jedem Fehler, den ich mache, freuen sich über die Angst, die sie immer weiter in mir schüren. Aber es ist niemand zu entdecken, also schlüpfe ich in den Eingang eines Altbaus, dessen Tür nur angelehnt ist.
    Drinnen ist es so dunkel, dass es einen Moment dauert, bis sich meine Augen an das fehlende Tageslicht gewöhnt haben. Das Rascheln des Papiers dringt laut an meine Ohren, als ich den Umschlag aufreiße. Meine Finger fühlen glattes, festes Papier, ich ziehe es heraus, hinter meinen Schläfen pocht es, mein Kopf droht zu platzen. Ein Foto, es kann nur ein Foto sein. Ich schließe die Augen und versuche mich etwas zu sammeln, ehe ich es schaffe, es mir anzusehen. Natürlich sind Corvin und ich darauf, zu Beginn des Schuljahrs. Ich stehe mit dem Fahrrad neben seinem Auto, neben seiner heruntergekurbelten Scheibe, meine Hand liegt auf der Tür, und wir lächeln uns an, Verliebtheit und Freude in unseren Augen. Ein wundervolles Foto, wie von jemandem geschossen, der uns mag, der hinter uns steht. Wenn da nicht diese Worte wären, die ich jetzt auf der Rückseite finde, ebenfalls aus Zeitungen ausgeschnitten und aufgeklebt.
    Nicht in deinen schlimmsten Albträumen ahnst du meinen Hass .
    »Warten Sie, Valerie«, höre ich Frau Bollmanns Stimme hinter mir, als ich am Ende dieses Schultages mein Fahrrad holen will. Ich schließe die Augen, bitte nicht, denke ich; lass mich, du hast ihn doch sicher heute auch schon auseinandergenommen wie eine Makrele, von mir wirst du nichts Neues erfahren. Dennoch reiße ich mich zusammen und drehe mich um.
    »Hallo, Frau Bollmann«, sage ich. Mit eiligen Schritten kommt sie näher, schwungvoller, anmutiger Gang in eleganten Stiefeletten, wieder dieses gewinnende Lächeln, der lange Arbeitstag ist ihr nicht anzusehen, sie arbeitet sich durch die Stunden wie von einem Langzeitakku betrieben. Dicht vor mir bleibt sie stehen, rückt ihre Tasche auf der Schulter zurecht, ein Sonnenstrahl verfängt sich in ihrem Zahnschmuck, aber ich sehe ihr jetzt offener ins Gesicht als sie mir, abwartend, sie streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, wo gar keine war.
    »Sie haben ja vorhin miterlebt, wie Manuel sich in Herrn Schwarzes Lehrprobe verhalten hat«, beginnt sie schließlich. »Eine absolute Katastrophe, so etwas geht natürlich überhaupt nicht, nicht einmal im normalen Unterricht. Aber dass er den Referendar so auflaufen lässt, ist absolut indiskutabel.«
    »Gut, dass Sie mit ihm rausgegangen sind«, erwidere ich. »Danach lief die Stunde eigentlich noch ganz gut.«
    »Die Seminarleiterin und unser Direktor waren leider anderer Meinung«, seufzt Frau Bollmann. »Aber das ist nicht der Punkt – Herr Schwarze steht noch am Beginn seiner Laufbahn, da ist fast jeder Fehler verzeihlich, man will nur sehen, ob er grundsätzlich mit Schülern umgehen kann, einen Draht zu ihnen findet. Alles andere lässt sich lernen. Da hat Herr Schwarze die geringsten Probleme – bei Ihnen ist er ja sehr beliebt.«
    Ich nicke nur, sehe sie weiter an.
    »Diese Schwärmerei für ihn, von der Manuel sprach … Herr Schwarze freut sich natürlich sehr darüber, etwas Besseres kann einem Junglehrer nicht passieren, als dass er so begeistert von seinen Schülern aufgenommen wird. In anderen Klassen ist das

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