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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feher
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haben sie eine Mauer um mich gebildet, die Hände ineinander verschränkt, wie früher im Kindergarten bei einem Gruppenspiel, das sich »Königstochter« nannte, ich erinnere mich genau. Es wurde nur gespielt, wenn die Erzieherin gerade nicht im Raum war, und ging ganz schnell. Die Königstochter war wie Rapunzel in einen engen, runden Turm eingesperrt, der von den dicht beieinander stehenden anderen Kindern gebildet wurde, dunkel und heiß war es dort, und nur durch einen geflüsterten Zauberspruch konnte sie befreit werden. Ich wollte nie die Königstochter sein, hatte Angst vor dieser Enge, einige Jungs haben dabei immer geschubst, und wenn man hinfiel, lagen alle auf einem drauf, sodass man fast keine Luft mehr bekam. Um mich herum dreht sich alles, ich wende meinen Kopf hin und her, um nach einer Lücke zu spähen, durch die ich schlüpfen kann, aber es gibt keine, nur von oben blendet das Sonnenlicht meine Augen, so grell, dass sie schmerzen, ich will wegschauen, doch jetzt bricht sich das Licht auch von der andere Seite her in meinen Pupillen, irgendjemand hält einen Spiegel gegen die Sonne und richtet den Strahl auf mich. Im Gegenlicht kann ich nichts erkennen, ich halte meine Hand wie einen Schirm über meine Augen, der Boden rast auf mich zu, ich muss mich festhalten, greife nach meinem Fahrradlenker, endlich stabilisiere ich mich, ich bin nicht gefallen, meine Hand umklammert Frau Bollmanns Arm.
    »Ist alles in Ordnung, Valerie?«, fragt sie. Ich blicke mich um, von den anderen ist kaum mehr jemand zu sehen, der Kreis um mich hat sich aufgelöst, es hat ihn nie gegeben, mit Schrecken bemerke ich, dass ich fast in Ohnmacht gefallen wäre und wohl bereits begonnen habe zu phantasieren. Feuchtkalter Wind dringt in meinen Kragen und meinen Rücken hinunter, der Schwindel verzieht sich wie dichter Nebel, nur zwei Jungs heben ihre Fahrräder aus dem Ständer und diskutieren erregt über irgendeine politische Frage.
    »Jaja, ist schon gut«, stammele ich. »Ich lasse Herrn Schwarze in Ruhe. Genau wie vorher auch schon.«
    »Halten Sie sich dran, Valerie«, sagt sie. Dann klemmt sie ihre Tasche fester an ihren Körper und lässt mich stehen, ich sehe ihr nach, wie sie davongeht, wieder dieser gleichmäßige, sichere Schritt, aufrecht und zügig. Ich mache mein Rad los und muss es die ersten zwei Straßen lang schieben, bis ich mich so weit gefangen habe, dass ich aufsteigen kann.
    Gleich zu Hause schicke ich Corvin eine SMS mit dem Inhalt »Ruf mich an, wenn du kannst«. Er reagiert prompt und ich erzähle ihm von meiner Begegnung mit Frau Bollmann.
    »Verdammt«, sagt er mit belegter Stimme. »Mich hat sie auch zusammengefaltet. Ich solle aufhören, den Mädchen schöne Augen zu machen, so etwas könne ganz leicht nach hinten losgehen, und wenn ich Lehrer sein wolle, müsse ich begreifen, dass meine Schülerinnen tabu sind, auch wenn sie mir noch so reizvoll erscheinen und mich nur wenige Jahre von ihnen trennen.«
    »Hat sie mich erwähnt?«
    »Sie sagte, du wärst kein Typ, der jemanden unverhohlen anbaggert, wie zum Beispiel Fiona. Gerade deshalb sei es besonders gefährlich, weil du vielleicht wirklich etwas für mich empfindest. Sie sagt, man könne nie wissen, wozu verliebte Mädchen fähig sind.«
    »So sehr merkt man es uns an«, flüstere ich. »Obwohl wir immer aufpassen.«
    »Ich habe gesagt, mir wäre nichts an dir aufgefallen«, versucht er mich zu beruhigen.
    »Vielleicht sollten wir uns ein paar Wochen nicht treffen«, überlege ich laut.
    »So oft sehen wir uns privat nicht«, findet er.
    »Viel zu selten«, stimme ich zu.
    »Trotzdem hast du recht, Valerie. Wir dürfen ihnen kein Futter geben. Wenn wir uns einige Zeit privat nicht sehen, außer in der Schule natürlich, beschäftigen die Mitschüler sich vielleicht bald mit anderen Dingen und Franziska wird mir glauben. So paradox es scheint – nur so können wir dafür sorgen, dass unsere Liebe siegt.«
    »Ist sie in dich verknallt?«, frage ich. »Die Bollmann?«
    Corvin schweigt eine Weile, ich höre ihn atmen.
    »Ich mache ihr keine Hoffnungen«, versichert er mir.

16.

    S eit diesem Tag scheint mich Frau Bollmann zu beobachten wie ein Luchs. In jeder Stunde, egal ob sie oder Corvin uns unterrichtet, fühle ich ihre Blicke wie Nadelstiche auf mich gerichtet, im Unterricht ruft sie mich ständig genau dann auf, wenn ich mich nicht melde, und auch in den Pausen hat sie neuerdings immer etwas in meiner Nähe zu suchen. Sie kommt in den Raum,

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