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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feher
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unbeschwert, als hätte er mir Schwingen verliehen, die ich nur auszubreiten brauchte, um wie eine Möwe den Auftrieb jeder noch so leichten Brise zu nutzen, ohne Beschränkungen und Zwänge über alles hinwegzugleiten, was man hier unten Leben nennt.
    »Du wirst schon darüber hinwegkommen«, beginnt Alena nach der zweiten Tasse Milchkaffee und nachdem sie mit zufriedenem Blick bemerkt hat, dass ich zumindest einige Pralinen gegessen habe. »Jetzt tut es natürlich erst mal weh, aber warte ab, wenn du erst wieder mit uns allen unterwegs bist, wirst du schnell merken, wie viel Spaß dir das macht. Einfach nur Blödsinn reden, tanzen gehen, Cocktails trinken mit Leuten, die mit dir auf einer Stufe sind. Muss doch anstrengend sein, sich immer älter zu machen.«
    »Das musste ich gar nicht«, erwidere ich lahm. Unser Black Hour -T-Shirt. Ich sterbe, wenn er das irgendwann in der Schule anzieht. Bisher hatten wir uns darauf geeinigt, dass wir es beide nur zu Hause tragen.
    »Trotzdem.« Sie berührt mich noch immer nicht, auch wenn ich genau sehe, dass ihre ausgestreckt auf der Tischplatte liegende Hand bereits zuckt. »Du bist nicht alleine, Valerie. Wir sind da, deine Freunde.«
    Ich stoße Luft zwischen meinen Lippen hervor. »Freunde? Die hassen mich doch alle. Denk nur daran, was die alles mit mir angestellt haben. Ich frage mich, wie das auf der Kursfahrt werden soll. Jeden Tag in Corvins Nähe zu sein, von früh bis abends, dazu der Kurs, von denen mich achtundneunzig Prozent am liebsten als Leiche sehen würde.«
    »Das wird sich schnell ändern«, versucht mich Alena zu beruhigen. »Die anderen merken ganz schnell, dass zwischen dir und Corvin Schluss ist, und sobald etwas Gras darüber gewachsen ist, werden sie sich anderen Dingen zuwenden. Und schon bist du wieder eine von uns.«
    »Ich weiß nicht. Glaubst du wirklich, das geht so leicht?«
    »Noch leichter nach deiner Geburtstagsparty. Hey, das ist doch der Anlass, um dich mit der Meute wieder zu versöhnen, meinst du nicht? Das klappt bestimmt. Du lädst alle ein, dann merken sie schon, wie ehrlich du es meinst. Und eine bessere Gelegenheit, dich von deinem Liebeskummer abzulenken, gibt es gar nicht. Am nächsten Samstag ist es doch schon so weit!«
    Mein Geburtstag ohne Corvin. Ausgerechnet der Achtzehnte. Von da an hätte man ihm nicht mal mehr vorwerfen können, sich an einer Minderjährigen zu vergehen. Wie enttäuscht er sein muss, dass ich nicht gewartet habe. Etwas Verrücktes wagen. Das Leben leben, wie es kommt. Ängste überwinden. Ich bin so was von feige.
    »Mir ist überhaupt nicht nach Feiern«, gestehe ich.
    »Trotzdem.« Ihre Stimme erinnert mich jetzt daran, wie sie mit Manuel geredet hat, als wir ihn nach seinem Absturz im Krankenhaus besucht haben. »Versuch, dich drauf einzulassen, Valerie. Vergrab dich jetzt nicht, damit schadest du dir nur weiter. Die Fete wird dir helfen, ganz bestimmt.«
    »Ich denk drüber nach«, verspreche ich ohne viel Schwung. Wo soll der auch herkommen.
    »Du musst dich bald entscheiden«, meint sie. »Und hast du es nicht schon vor Monaten Manuel versprochen?«
    »Schon. Aber ich kann doch auch später noch feiern. Wenn ich die Kursfahrt überlebt habe, zum Beispiel.«
    »Valerie. Wenn man achtzehn wird, wird man achtzehn. Dieser Tag kommt nie zurück, den kann man nicht nachholen! Komm, gib dir einen Ruck. Was hältst du davon, wenn wir jetzt zusammen eine DVD gucken, irgendetwas, das gar nichts mit Liebe zu tun hat, damit du dir nicht auch noch lauter Pärchen ansehen musst? Und heute Nachmittag gehen wir gemeinsam für die Party einkaufen.«
    »Gar nichts halte ich davon.« Ich schiebe meine Kaffeetasse weg und will aufstehen, doch sofort fällt mir ein, dass ich nirgendwohin kann, nicht zur Schule, bestenfalls noch zurück nach Hause, sobald ich sicher bin, dass meine Eltern zur Arbeit gefahren sind, aber da würde ich auch nur sitzen und grübeln. An Corvin denken, jetzt nicht mehr mit diesem warmen, frohen Gefühl in mir, sondern mit einem Schmerz, der mich von innen her auflöst wie Salzsäure. Ich nicke ergeben.
    »Also gut«, sage ich. »Können wir meinetwegen machen.«
    Alena kommt um den Tisch herum, stellt sich hinter mich und nimmt meine Haare zusammen, um sie über meine rechte Schulter nach vorn zu legen; dann beginnt sie, mir behutsam die Schultern zu massieren. Ich will das nicht, denke ich erst, aber dann lasse ich es doch geschehen, spüre, wie verspannt ich bin, der ganze

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