Schwarze Themse
zurück, um ihre Suche fortzusetzen.
Monk folgte ihm. Er schwieg. Durban wollte kein Mitleid und keinen Kommentar, er hatte ihm einfach nur etwas aus seinem Leben erzählt, ein Akt des Vertrauens.
Sie suchten bis in die Nacht hinein, gelegentlich getrennt, meist aber zusammen, denn in dieser Gegend war es gut, jemanden dabeizuhaben, der einem den Rücken freihielt. Noch einmal wurden sie in einen kurzen Kampf verwickelt, und Monk war verdutzt, als er bemerkte, wie heftig er sich wehrte und dass er instinktiv mit dem vernichtenden Schlag rechnete.
Danach lehnten er und Durban sich schwer atmend in der Gasse an eine Mauer und lachten, aus keinem ersichtlichen Grund. Vielleicht wegen des unsinnigen Kampfes in der Absteige. Monk hatte weitere blaue Flecken und einen Schnitt in der Wange abbekommen, aber merkwürdigerweise hatten die Strapazen und sogar die körperlichen Schmerzen ihn belebt. Er schaute zu Durban hinüber und sah, dass sich in seinen Augen die gleiche Empfindung spiegelte.
Durban richtete sich auf, zog die Jacke glatt und fuhr sich mit den Fingern durch sein zerzaustes Haar. »Die Nächste?«, fragte er.
»Was Besseres fällt mir nicht ein«, antwortete Monk. »Glauben Sie, dass wir der Sache allmählich näher kommen?«
»Nein«, sagte Durban aufrichtig. »Sie scheinen verschwunden zu sein.« Er sprach nicht über seine Angst, dass sie direkt auf einem anderen Schiff angeheuert hatten oder womöglich bereits tot waren, aber auch Monk gingen diese Gedanken durch den Kopf.
»Wir haben die Todesfälle noch nicht überprüft«, sagte er.
»Ist schon erledigt«, antwortete Durban. »Als Sie mit den
Leuten in dem Bordell oben in der Thames Street gesprochen haben. Die Polizei hat alle identifiziert, auf die unsere Beschreibung passte.«
»Wie können Sie sich so sicher sein?«, zweifelte Monk.
»Weil sie ihre Toten kennen«, sagte Durban einfach. »Das heiÃt noch nicht, dass sie nicht tot sind, vielleicht sind sie bloà noch nicht gefunden und beerdigt worden.« Er schaute Monk mit kläglicher Miene an. »Kommen Sie, lassen Sie es uns beim Nächsten probieren.«
10
An dem Abend, an dem Monk Besuch von Sutton bekommen hatte, war Margaret in ihrem Schlafzimmer dabei, sich fertig zu machen, um wieder in die Klinik zu gehen. Sie wollte dafür sorgen, dass Hester wenigstens eine Nacht ungestört schlafen konnte. Sie saà an ihrer Frisierkommode, als ihre Mutter ganz kurz klopfte und, ohne zu warten, eintrat.
»Margaret, meine Liebe«, begann sie, während sie die Tür hinter sich schloss. »Du darfst die Hoffnung nicht aufgeben, weiÃt du. Du hast einen schwierigen Charakter und wahrlich eine unglückselige Zunge, aber du bist nicht unangenehm anzuschauen, und im Augenblick ist dein Ruf noch makellos.« Ihr Tonfall veränderte sich leicht. »Du stammst aus einer annehmbaren Familie mit unbefleckter Reputation. Nur ein wenig Sorgfalt und sehr viel mehr Diskretion, was deine Meinung angeht, ein Hauch mehr Sanftmut, und du könntest sehr glücklich werden. Deine Klugheit muss nicht dein Verderben sein, obwohl ich zugeben muss, dass ich mir Sorgen mache. Du scheinst ungewöhnlich wenig Sinn dafür zu haben, wo du sie entfaltest und bei welchem Thema!«
Margaret hätte gerne so getan, als wüsste sie nicht, wovon ihre Mutter sprach, aber da es schien, als habe Lady Horden
ihre Drohung wahr gemacht, konnte sie nicht darauf hoffen, dass ihre Mutter ihr glaubte. Ihr wollte keine Antwort einfallen, die ihre Mutter zufrieden stellen würde, also sagte sie nichts, sondern fuhr fort, ihr Haar hochzustecken, ein wenig schief und am Hinterkopf zu stramm. Sie spürte, wie sich die Nadeln in ihren Kopf bohrten. Am Ende würde sie sie doch wieder herausnehmen müssen â was für eine Zeitvergeudung.
Der Tonfall ihrer Mutter wurde schärfer. »Aus der Tatsache, dass du schon wieder dieses schäbige blaue Kleid trägst, schlieÃe ich, dass du vorhast, in diese jämmerliche Einrichtung im Elendsviertel zu gehen! Gute Taten sind sehr ehrenvoll, Margaret, aber sie sind kein Ersatz für ein gesellschaftliches Leben. Ich würde es sehr viel lieber sehen, wenn du dich in einer kirchlichen Einrichtung engagiertest. Dort gibt es viele angemessene Aufgaben, bei denen du mit Menschen arbeiten könntest, wohlerzogenen Menschen, deren Milieu und Interessen den deinen
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