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Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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verbreitete. Sie hätte den Mut und die geistige Stärke.
    Bis dato hatte er nicht begriffen, was das bedeutete. Mit einem Anfall von Selbstekel erinnerte er sich an einige ihrer früheren Unterredungen. Er war herablassend zu ihr gewesen, als wäre sie eine Frau, die den zweitbesten Weg wählte, um den Raum zu füllen, wo emotionale Erfüllung hätte sein sollen. Dabei war sie stärker und besser als alle anderen Menschen, die er kannte.
    Wenn sie in der Portpool Lane starb, würde sie in seinem Leben eine Leere hinterlassen, die nichts und niemand je füllen konnte.
    Der Hansom blieb stehen, und er bemerkte, dass er bei Margarets Haus angekommen war. Er stieg aus, stand im Regen, entlohnte den Kutscher und lief dann über den Bürgersteig und die Treppen hinauf, um an der Glocke zu ziehen.
    Der Diener öffnete die Tür, bedauerte aber, ihm mitteilen zu müssen, dass Miss Ballinger nicht zu Hause sei und er nicht wisse, wann sie zurückkehren werde.
    Rathbone war wie vor den Kopf gestoßen. Was war, wenn sie alle Anweisungen ignoriert hatte und doch in die Klinik gegangen war? Dann war sie in der gleichen Gefahr wie Hester. Sie würde schrecklich leiden. Er würde sie nie wiedersehen, sie nie heiraten können. Was auch immer mit dem Rest von London oder England geschah, seine persönliche Zukunft sah plötzlich kalt und dunkel aus. Er würde nie wieder eine Frau finden, die es mit ihr aufnehmen konnte. Ein dummer Gedanke. Es gab keine Vergleiche. Wie tugendhaft, freundlich, humorvoll oder klug eine andere Frau auch sein würde, er liebte Margaret.
    Der Diener wartete geduldig.
    Rathbone dankte ihm und trat wieder hinaus in den strömenden Regen. Der Hansom war bereits weg, doch das spielte kaum eine Rolle. Er würde zu Fuß nach Hause gehen, und
wenn es eine Stunde dauerte und er bis auf die Knochen nass wurde, er würde es nicht bemerken.
    Â 
    Rathbone konnte nicht schlafen, und am Morgen bat er seinen Diener, ihm ein heißes Bad einzulassen, das er dann doch nicht recht genießen konnte. Um halb neun hatte er gefrühstückt und schickte eine Nachricht an sein Büro, dass er später käme. Dann hielt er Ausschau nach einem Hansom, der ihn zu Margarets Haus bringen sollte. Er hatte keine Vorstellung, was er tun würde, wenn er sie wieder nicht antraf. Der Gedanke, in die Klinik zu fahren und sie dort zu suchen, erschien ihm ebenso unerträglich wie der, nicht hinzufahren. Er konnte ihr Geld geben, und dann musste er gehen und Monks unglücklichen Dieb aufsuchen und sehen, was zu unternehmen war, um der Gerechtigkeit Genüge zu tun. Wenn jemand dazu in der Lage war, dann er.
    Wieder herrschte dichter Verkehr. Um diese Tageszeit fuhren die Leute in die Stadt, Händler brachen auf zu ihren Runden, alle schienen die Straßen zu verstopfen.
    Bei der ersten Verkehrsstauung kam alles zum Stillstand. Zwei Kutscher stritten, wessen Schuld es war, dass ein Pferd durchgegangen war und das Geschirr zerrissen hatte. Rathbone wartete eine kurze Weile, dann entlohnte er seinen Kutscher und ging zu Fuß weiter. Es war nur noch gut einen Kilometer, und er nahm lieber die Mühe auf sich, als eingesperrt dazusitzen und zu warten.
    Diesmal hatte er mehr Glück. Der Diener informierte ihn, dass Miss Ballinger beim Frühstück saß und er nachfragen werde, ob sie ihn empfangen wolle. Rathbone ging im Empfangszimmer auf und ab, bis der Mann wieder auftauchte und ihn bat, ihm zu folgen.
    Rathbone versuchte, sich zu beruhigen, um Margaret nicht vor ihren Eltern in Verlegenheit zu bringen, falls diese anwesend waren. Er folgte dem Diener durch die Halle in das große, formelle Speisezimmer, wo er erleichtert feststellte, dass sie
allein war. Sie trug ein schmuckes dunkles Kostüm, das aussah wie ein Reitdress. Es war modisch und äußerst kleidsam, aber sie war erschreckend blass.
    Â»Guten Morgen, Sir Oliver«, sagte sie ziemlich zurückhaltend. Offensichtlich hatte sie seine kühle Reaktion an dem Abend nicht vergessen. »Möchten Sie eine Tasse Tee? Oder vielleicht etwas essen? Toast?«, fragte sie einladend.
    Â»Nein, vielen Dank.« Er setzte sich und betete, dass sie den Diener aufforderte, sich zurückzuziehen. »Ich habe eine rechtliche Angelegenheit sehr vertraulicher Natur, die ich gerne mit Ihnen besprechen würde.« Er konnte nicht warten.
    Â»Wirklich?« Sie zog die Augenbrauen etwas hoch. Sie

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