Schwarze Themse
Enttäuschung und Verzweiflung. Es war aufdringlich, ungewollt grausam und Teil einer Gesellschaft, die sie beide als selbstverständlich betrachteten.
Aber noch heftiger wünschte er sich, sie vor der Angst um Hester beschützen zu können sowie vor dem Gefühl der Hilflosigkeit, denn sie konnte nichts tun, als weiterhin Spenden zu sammeln.
»Wie bezaubernd, Sie einmal wiederzusehen, Miss Ballinger«, sagte Mrs. Northwood bedeutungsvoll und schaute erst Margaret an und dann Rathbone.
Rathbone holte Luft, um ihr zu antworten, sah dann jedoch in Margarets Miene, dass es ihr gleichgültig war. Sie hatte die Andeutung verstanden, aber sie berührte sie kaum. Er bewunderte sie. Wie schön sie in ihrer Leidenschaft und Integrität neben diesen strahlenden, gewöhnlichen Frauen war. Was spielte ein wenig soziale Lüsternheit schon für eine Rolle im Vergleich mit dem Schrecken, der sich drei Kilometer entfernt in der Portpool Lane entfaltete?
Er trat ein wenig näher an Margaret heran.
Mrs. Northwood bemerkte es und machte groÃe Augen.
Es würde mindestens noch eine halbe Stunde dauern, bis man zu Tisch bitten würde, aber sie waren auf allen Seiten von Menschen eingeschlossen. Er konnte sie kaum bitten, ein Fleckchen zu suchen, wo sie sich unter vier Augen unterhalten konnten. Er wusste nicht einmal genau, was er ihr sagen wollte. Ein Antrag sollte würdevoll und romantisch geschehen, damit sollte man nicht herausplatzen, wenn man Angst haben musste, belauscht oder unterbrochen zu werden. Er hätte sie zu einer ganz anderen Gesellschaft einladen sollen. Wie, um Himmels willen, war er nur auf diese hier gekommen?
Er wusste, warum. Er hatte gewusst, dass sie die Einladung hierher annehmen würde, weil sie hier weitere Spendengelder sammeln konnte. Eine bezauberndere, romantischere Situation, wo sie hätten alleine sein können, hätte sie abgelehnt, und dann wäre es peinlich geworden und â noch schlimmer â künstlich. Und er genoss es, in ihrer Gesellschaft zu sein. Er sah sich unter den anderen Gästen um und war stolz, dass Margaret sich bei ihm untergehakt hatte und nicht bei einem anderen
Mann. Er lächelte. Er würde schon eine Situation finden, in der er mit ihr sprechen konnte, und wenn es auf dem Heimweg war.
Lady Pamela Brimcott kam auf sie zu. Sie war Mitte dreiÃig, hübsch und äuÃerst schwierig. Er hatte ihren Bruder Gerald in einem Fall von Veruntreuung verteidigt â erfolglos. Zumindest hatte sie das gefunden, denn man hatte Gerald schuldig gesprochen, obwohl das Urteil aufgrund von Rathbones Plädoyer auf strafmildernde Umstände relativ nachsichtig ausgefallen war. In Wahrheit war Gerald habgierig und egoistisch, und Rathbone war überzeugt, dass er dem Urteil gemäà schuldig war. Aber er war Anwalt und nicht Richter.
»Guten Abend, Oliver«, sagte Pamela kühl. Ihr Blick wanderte zu Margaret. »Ich nehme an, das ist Miss Ballinger, von der ich schon so viel gehört habe? Ich glaube wohl, Oliver hat Ihnen ebenso viel über mich erzählt?«
Rathbone spürte, dass brennende Röte sein Gesicht überzog. Er hatte Pamela einmal den Hof gemacht und sie auch als passende Frau eingeschätzt. Das war, bevor er Hester kennen gelernt und erkannt hatte, dass »passend« weder Leidenschaft noch Lachen beinhaltete, ja nicht einmal unbedingt Freundschaft. Dem Himmel sei Dank, dass er seinem Instinkt gefolgt war. Er konnte die Feindseligkeit in Pamelas Augen sehen, und er wusste, dass sie ihm die Enttäuschung, die er ihr ihrer Meinung nach bereitet hatte, nicht verziehen hatte. Sie hätte ihn sehr wahrscheinlich damals gar nicht geheiratet â denn er besaà keinen Titel â, aber sie wäre gerne gefragt worden.
»Ich fürchte, er hat Sie nicht erwähnt«, antwortete Margaret in höflichem, bedauerndem Tonfall.
Pamela lächelte. »Wie taktvoll von ihm.« Sie lieà die tieferen, verborgenen Bedeutungsschichten sich entfalten.
Rathbone spürte, dass die Hitze in seinem Gesicht noch zunahm. Er hätte ihr gerne eine passende Antwort gegeben, aber er war viel zu betroffen, als dass ihm eine einfiel. Er wusste, dass Hester eine parat gehabt hätte, und wünschte, sie wäre hier, um sie beide zu verteidigen.
Margaret begriff die Andeutung sofort. Sie erstarrte, Rathbone konnte es spüren. Aber ihr Lächeln war von verblüffender
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