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Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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stellen, ob er bereits tot war und wenn ja, warum. Er hatte sich nicht den Hals gebrochen, es gibt nichts, was auf einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall hindeutet, und das Letzte auf Erden, was wir brauchen können, ist, dass sie ihn wieder ausgraben.«
    Monk schüttelte langsam den Kopf wie jemand, der sich durch einen Nebel von Gedanken kämpft, von allen Seiten so hart bedrängt, dass er kaum hindurchfindet. »Sie müssen auf Zeit spielen«, sagte er unglücklich. »Ich muss etwas vorbringen, um Zweifel zu schüren.«
    Rathbone wollte nur ungern eine Entscheidung erzwingen. Monk war erschöpft, und die Angst, die ihn bei lebendigem Leibe auffressen musste, konnte er nur erahnen. Margaret war in Sicherheit. Rathbone hatte vieles, worauf er sich freuen konnte. Wenn er sie verlor, wäre das seine eigene Schuld: seine Feigheit, moralisch wie emotional. Die Lösung lag auf der Hand. Aber Monk war machtlos. Er konnte nichts tun, um zu helfen. Er wusste von Stunde zu Stunde nicht einmal, ob Hester noch lebte, ob es ihr gut ging oder ob sie sich bereits angesteckt hatte und schrecklich litt. Sie war mit Fremden eingesperrt. Würden sie sich in Augenblicken der Not um sie kümmern? Würden sie bleiben, um sie zu pflegen, so wie sie so viele gepflegt hatte? Oder würden sie entsetzt fliehen? Oder würden sie dem Tode selbst zu nahe sein, um noch eine Hand zu heben, um Wasser zu holen oder was auch immer man tat, um den Schrecken und den Schmerz des Todes zu lindern? Bei dem Gedanken wurde ihm übel vor Elend.

    Â»Was ist?«, unterbrach Monk ihn in seinen Gedanken.
    Rathbone besann sich. »Um begründete Zweifel zu wecken, muss ich eine glaubwürdige Alternative liefern«, antwortete er. »Wenn Gould ihn nicht auf dem Gewissen hat, war es jemand anders, oder es war ein Unfall. Können Sie Beweise beschaffen, mit denen sich Ihr ursprüngliches Urteil untermauern lässt? Louvain hat dieses Dokument verfasst, in dem er schwört, Hodges Mörder zu suchen, wenn Sie das Elfenbein wiederbeschaffen. Das wird herauskommen, denn der Leichenbestatter wird darauf schwören, um sich zu schützen. Ich kann es mir nicht leisten, medizinische Beweise heranzuziehen. Dann würden sie die Leiche wieder ausgraben, und das ist ein Albtaum, den ich mir nicht ausmalen will.«
    Monk sagte nichts. Er wirkte gedankenverloren. Als bemerkte er erst jetzt, dass Tee vor ihm auf dem Tisch stand, ergriff er die Tasse, trank den Tee und zuckte zusammen, weil er heiß war, auch wenn er offensichtlich dankbar dafür war.
    Rathbone schenkte sich eine weitere Tasse ein. »Kennt Louvain die Wahrheit?«, fragte er.
    Monk schaute zu ihm auf. »Ich weiß es wirklich nicht.«
    Â»Dann müssen Sie es herausfinden. Einer von uns muss es tun. Wenn Sie ...«
    Â»Ich mach’s«, sagte Monk mit solch grimmiger Entschlossenheit, dass Rathbone wusste, er würde die Frage nicht noch einmal aufkommen lassen.
    Â»Wenn er es nicht gewusst hat«, sagte Rathbone leise, »dann müssen Sie es ihm sagen. Die einzige Möglichkeit, wie er sich selbst schützen kann, ist auszusagen, dass er sich geirrt hat und Hodge auch gestürzt sein und sich dabei den Kopf aufgeschlagen haben kann.«
    Â»Oder dass Gould ihn umgebracht hat, wie wir anfangs angenommen haben«, antwortete Monk bitter.
    Â»Glauben Sie das jetzt noch?«
    Â»Nein.« Wieder zögerte er nicht.
    Â»Dann müssen wir einen Weg finden, Louvain dazu zu bringen,
für ihn auszusagen. Sonst erwartet ihn der Strick«, warnte Rathbone ihn. »Wir können nicht zulassen, dass sich die Pest in London verbreitet, um einen Mann zu retten, und wenn er noch so unschuldig ist.«
    Monk atmete tief durch und rieb sich mit dem Handballen über das Gesicht. »Ich weiß. Wie viele Tage noch bis zum Prozess?«
    Â»Ãœbermorgen.«
    Â»Ich gehe zu Louvain«, versprach Monk. Er richtete sich auf, aber innerlich empfand er eine Müdigkeit, die schwer auf seinen Schultern lag und sein Gesicht aschfahl machte. »Durban hofft noch, die Matrosen zu finden.« Er verzog das Gesicht. »Wie viele Menschen verschwinden, und niemand vermisst sie? Wie viele können fallen, und wir alle drängen weiter vorwärts, ohne zu bemerken, dass sie eine Leerstelle hinterlassen haben? Kümmert sich jemand darum? Oder leiden die Menschen, werden durch Kummer gelähmt, und wir bemerken es nicht

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