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Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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selbst –, wenn sie weniger als ihr Bestes für eine Sache gäbe, an die sie leidenschaftlich glaubte?
    Â»Und sie sagten ›Nein‹?«, fragte Hester leise, obwohl auch ihrer Stimme die Wut anzuhören war. Feigheit und Heuchelei waren die beiden Untugenden, die sie am meisten verabscheute, vielleicht, weil daraus so viele andere erwuchsen, besonders Grausamkeit. Sie waren eng miteinander verwoben. Hester hatte erfahren, wie viele Männer sich Prostituierter bedienten, und sie sah davon ab, darüber zu urteilen. Sie wusste auch, dass die Frauen dieser Männer recht häufig davon wussten,
wenn auch nur durch Schlussfolgerungen. Was Hester verabscheute, war die Heuchelei, sich abzuwenden und diese Frauen zu verurteilen. Vielleicht war es deren Unabhängigkeit, die diese Leute ängstigte, oder das Wissen, dass das, was sie trennte, oft nur zufällige Umstände waren und selten moralische Überlegenheit.
    Wo es wirklich Ehre und Moral gab, eine Reinheit des Geistes, dort gab es, wie sie festgestellt hatte, meist auch Leidenschaft. Margaret war ein Beispiel für genau diese bewusste Ehelosigkeit.
    Â»Und dann fühle ich mich lächerlich und bin enttäuscht«, antwortete Margaret, blickte Hester an und lächelte reumütig über sich selbst. »Und ärgere mich, dass ich so verletzlich bin.« Sie erwähnte Rathbones Namen nicht, aber Hester wusste, was sie dachte. Margaret begegnete ihrem Blick und errötete. »Ist es so offensichtlich?«, fragte sie leise.
    Â»Nur für mich«, antwortete Hester. »Weil ich genauso empfinde.« Sie trank ihren Tee aus. »Aber wir brauchen mehr Geld, also lassen Sie bitte in Ihren Bemühungen nicht nach. Sie kennen mich gut genug, um zu wissen, was für eine Katastrophe es wäre, würde ich es an Ihrer Stelle versuchen!«
    Margaret musste unwillkürlich lachen. Als Hester ihre Belustigung sah, schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, ob Rathbone Margaret wohl je von einigen der gesellschaftlichen Katastrophen erzählt hatte, die Hester als unverheiratete Frau heraufbeschworen hatte, nachdem sie von den Schlachtfeldern auf der Krim zurückgekehrt war. Sie war immer noch voller Empörung über die Ignoranz gewesen und vom Glauben an ihre Macht erfüllt, sie könnte Menschen dazu bringen, sich zu verändern und sich zu bessern. Sie hatte persönliche Interessen beiseite schieben und Erkenntnis und Wahrheit folgen wollen. Niemand war vor ihrer spitzen Zunge sicher gewesen, doch letztendlich hatte sie nur sehr wenige ihrer Träume verwirklichen können.
    Â»Vermutlich«, räumte Margaret ein. »Ich weiß meine Zunge
weit besser im Zaum zu halten als Sie. Auch wenn ich darüber nicht besonders begeistert bin. Ich denke genauso wie Sie, ich bin es nur allzu gewöhnt, es nicht laut auszusprechen.«
    Â»Damit erreicht man auch nichts«, räumte Hester ein. »Letztendlich ist es nur mangelnde Beherrschung. Ein paar Minuten lang fühlt man sich richtig gut, und dann begreift man, was man verloren hat.«
    Margaret fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Ich verabscheue es, meine Überzeugung zu verschweigen und nur, weil ich ihr Geld brauche, höflich zu Leuten zu sein!«
    Â»Die Frauen brauchen ihr Geld«, korrigierte Hester sie. Sie beugte sich leidenschaftlich vor und griff nach Margarets Hand. »Seien Sie nicht so offen, wie ich es zuweilen war – es hat Oliver entsetzt.« Die Erinnerung stand ihr deutlich vor Augen, und fast hätte sie gelacht. »Vor einem Jahr war er wie gelähmt bei der Vorstellung, was wir Squeaky angetan haben, um dieses Haus zu bekommen – aber wenn Sie ehrlich sind, hat er es doch ziemlich genossen!«
    Ein Lächeln erhellte Margarets Gesicht und ließ ihre Augen leuchten. »Ja, nicht wahr?«, erinnerte sie sich.
    Bessie kam wie gewöhnlich, ohne anzuklopfen, herein, um Bescheid zu sagen, dass eine junge Frau gekommen war, die Hilfe brauchte. »Wie ein mageres Kaninchen sieht sie aus«, sagte sie müde. »Nur Haut und Knochen. So verdient sie sich nie ihren Lebensunterhalt! Würde mich nicht wundern, wenn sie seit Wochen keine anständige Mahlzeit mehr bekommen hätte. Weiß wie ein Fischbauch und schnauft wie ein Zug.«
    Hester stand auf. »Ich komme«, sagte sie. Sie warf noch einen Blick auf Margaret und sah, dass diese zum Medikamentenschrank ging und ihn aufschloss,

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