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Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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daraufhin, dass er nicht direkt gegen die Wasserpolizei arbeitete, aber zumindest doch ohne deren Wissen, und das an einem Fall, den eigentlich sie bearbeiten sollte. War es treulos, Angst um ihn zu haben? Zweifelte sie an seinen Fähigkeiten?
    Das Feuer brannte nicht recht. Die Flammen waren zu einem Schwelen geworden. Sie ließ sich auf Hände und Knie nieder, um auf die kleine Stelle zu pusten, wo sie noch flackerten. Sie kannte den Trick, eine offene Zeitung vor den Kamin zu legen, damit der Schornstein besser zog, aber sie hatte keine Zeitung. Eine solche zusätzliche Ausgabe war im Augenblick nicht notwendig. Außerdem war sie viel zu beschäftigt, um sich für die Welt und ihre Probleme zu interessieren. Sie hatte keine Zeit zu lesen.
    Die Flammen loderten wieder auf.
    Wenn Monk kam, wollte sie ihm nicht zeigen, dass sie besorgt war. Das Letzte, was er jetzt brauchte, war, dass sein Selbstvertrauen untergraben wurde. Sie musste sich so verhalten, als glaubte sie an ihn, ohne es direkt zu behaupten. Sie würde sich der Katastrophe erst stellen, wenn sie da war.
    Es war die Jahreszeit, in der man sehr gerne Eintöpfe aß, und wenn der große Topf hinten auf dem Herd stehen blieb, konnte sie jeden Tag frisches Gemüse hinzufügen, sodass das Essen stets schmeckte. Das hieß auch, dass etwas Warmes auf Monk wartete, egal, um welche Zeit er nach Hause kam. Diesmal fühlte sie sich so frei, einen guten Batzen frisches Fleisch hineinzutun, und als sie kurz nach sieben seinen Schlüssel im Schloss hörte, war das Essen fertig.
    Â»Und?«, fragte sie, als sie am Tisch saßen und das Essen vor ihnen dampfte.
    Er dachte nach, bevor er antwortete, und beobachtete ihre Reaktion. »Ich habe noch nie im Leben so gefroren!«, antwortete er und lächelte breit. »Zumindest kann ich mich nicht erinnern
…« Seit er bei seinem letzten Fall, einer Eisenbahngeschichte, einen Großteil seiner Vergangenheit wieder ausgegraben hatte, quälte ihn die Tatsache seines Gedächtnisverlusts nicht mehr so sehr wie in der Zeit nach seinem Kutschenunfall, der einen oder zwei Monate bevor sie sich kennen gelernt hatten, den Gedächtnisverlust zur Folge gehabt hatte, vor inzwischen fast sieben Jahren. Es war, als wären die Geister besänftigt, jetzt, da das Schlimmste aufgedeckt war und er sich damit auseinander gesetzt hatte. Es waren keine Ungeheuerlichkeiten gewesen, sondern im Grunde ganz gewöhnliche Schwächen, Fehler, die man verstehen, bedauern und korrigieren konnte. Der Schrecken war auf menschliche Proportionen geschrumpft, zu einer Tragödie statt zu Schlechtigkeit. Jetzt konnte er darüber scherzen.
    Sie erwiderte sein Lächeln. Eine lange getragene Last war von ihnen genommen. »Unterscheidet der Fluss sich sehr von den Straßen?«, fragte sie.
    Â»Fühlt sich anders an«, antwortete er, nahm noch einen Bissen und ließ sich das im Vergleich zu den Mahlzeiten der letzten Wochen nahrhafte Essen schmecken. »Alles wird von den Gezeiten bestimmt; das ganze Leben scheint sich darum zu drehen. Schiffe fahren mit Ebbe und Flut den Fluss hinauf und hinunter. Erwischt man Niedrigwasser, läuft man auf Grund, versucht man, bei Hochwasser unter den Brücken durchzukommen, brechen die Masten. Die Leute am Fluss kennen ihn in- und auswendig.« Er dachte einen Augenblick nach. »Aber das Wasser hat eine ganz eigene Schönheit, die den Straßen nicht eigen ist. Ein Gefühl der Weite, und Licht und Schatten ändern sich andauernd.«
    Sie schaute ihm ins Gesicht und erkannte darin die Ehrfurcht vor dem Fluss, der ihn bereits gefangen genommen hatte. Wieder beschlich sie die Angst, dass er den Boden unter den Füßen verlor. Wenn er sich zu sehr von den Elementen der Natur einnehmen ließ, achtete er vielleicht zu wenig auf die unterschiedlichen Geisteshaltungen von Dieben und Hehlern,
die Feinheiten von Betrug und Gewalt, deren Warnsignale er womöglich auch nicht erkannte, weil sie ihm nicht vertraut waren.
    Â»Du hörst mir nicht zu«, warf er ihr vor.
    Â»Ich versuche gerade, es mir bildlich vorzustellen«, sagte sie schnell und schaute ihm wieder in die Augen. »Klingt überhaupt nicht so wie in der Stadt. Wo willst du anfangen, nach dem Elfenbein zu suchen? Kannst du nachvollziehen, wohin die Diebe gegangen sind, wenn es keine Spuren, keine Fußspuren gibt?« Sie wünschte, sie hätte nicht danach gefragt,

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