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Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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halbes Dutzend Flusspiraten an Bord gekommen wären, die die Taue kappten.« Er schlug mit der Faust auf den Tisch. »Die Tide trug uns auf die Sandbänke, und als es dämmerte, war kein einziges verdammtes bewegliches Stück Ladung mehr an Bord. Die Hurensöhne. Die Wache schlug Alarm, der arme Kerl. Hat ihn das Leben gekostet. Und wir stürzten alle an Deck mit Pistolen und Entermessern, es gab einen richtigen Kampf. Aber man kann nicht gegen die Halunken und den Wind und die Tide auf einmal kämpfen.«
    Monk sah es bildlich vor sich, das treibende Schiff, das mit dem Strom immer schneller wurde, die Männer, die auf Deck verzweifelt kämpften, auf dem engen Raum versuchten, ihre Entermesser zu schwingen und trotz der Bewegung zu schießen, unstete Ziele im schwankenden Laternenlicht, Gewalt, Angst, Schmerz.
    Â»Was ist passiert?« Er musste sein Interesse nicht heucheln.
    Â»Drei von ihnen haben wir umgebracht«, antwortete der Mann zufrieden und leckte sich nach dem letzten Bissen Schweinefleischpastete die Lippen. »Aber auch zwei von uns verloren. Zwei weitere von ihnen haben wir schwer verletzt über Bord gestoßen. Sind ertrunken.«
    Â»Und dann?«
    Â»Ein halbes Dutzend, mehr waren es gar nicht!«, sagte er erbittert.
»Mein Arm hatte eine so tiefe klaffende Wunde, dass ich geblutet habe wie ein abgestochenes Schwein. Bekam’s genäht, aber dann kriegte ich Wundbrand. Haben ihn mir abgenommen. Mussten, um mein verdammtes Leben zu retten!« Er sagte es ironisch, als wäre es lange her und spielte kaum noch eine Rolle, aber Monk sah den Schmerz in seinen Augen und die Erinnerung daran, was für ein Kerl er einst gewesen war. Den körperlichen Schmerz des Messers konnte er nicht spüren, aber den Schrei, als man ihn seiner Unversehrtheit beraubt hatte, die Verstümmelung, die immer noch an ihm nagte.
    Monk wusste nicht, wie er reagieren sollte. Sollte er versuchen, Verständnis für den Schmerz, dessen Zeuge er geworden war, anzudeuten, oder tat er besser so, als hätte er ihn nicht bemerkt?
    Â»Gibt es heute auch noch Piraten auf dem Fluss?«, fragte er. Es war eine Ausflucht, aber etwas Besseres fiel ihm im Augenblick nicht ein.
    Â»Ein paar«, sagte der Mann, und das Brennen des Schmerzes in seinen Augen erlosch. »Die Blauen sind ziemlich gut, aber nicht einmal sie sind allmächtig.«
    Â»Gibt es Piraten so weit rauf?«
    Â»Wahrscheinlich nicht. Draußen bei Limehouse und in die Richtung sind’s Opiumfresser und solche. Aber man weiß nie. Abgesehen von mir gibt’s noch andere, die ein paar Zusammenstöße mit ihnen hatten.«
    Â»Louvain?« In dem Augenblick, in dem Monk es ausgesprochen hatte, fragte er sich, ob das klug gewesen war.
    Das Gesicht des Mannes strahlte vor Vergnügen. »Clem Louvain? Sie haben verdammt Recht! Den Tag, an dem sie sich mit ihm angelegt haben, haben sie wirklich bereut!« Er schniefte freudig. »Das ist wohl schon ein paar Jahre her, aber das ist egal. So was vergisst man nicht. Den lassen sie immer noch in Ruhe!«
    Monk wählte seine Worte mit Bedacht. »Es wundert mich, dass sie nicht auf Rache aus sind«, sagte er und tat absichtlich neugierig.

    Der Mann grinste und entblößte dabei seine Zahnlücken. »Sie glauben wohl, die kommen dafür aus der Hölle zurück?«
    Â»Tot?« Monk war überrascht.
    Â»Natürlich tot!«, sagte der Mann geringschätzig. »Zwei direkt auf Deck der ›Mary Walsh‹ getötet, und zwei auf dem Hinrichtungsdock gehängt. Hab’s mit eigenen Augen gesehen. Bin extra hingegangen. Seltener Anblick.«
    Â»Niemand blieb übrig, um … Vergeltung dafür zu üben?«, hakte Monk nach.
    Â»Nicht für die verdammten Mistkerle.« Der Mann hob das Glas, um den letzten Schluck Bier zu trinken. »Schätze, in der Nacht hat man in vielen Häusern den Fluss hinauf und hinunter auf Mr. Louvains Wohl getrunken.« Er nahm seinen Krug und schob ihn einige Zentimeter näher an Monk, ohne ihn anzusehen. »Der Fluss ist voller Geschichten«, fügte er hinzu.
    Monk verstand den Hinweis und holte zwei weitere Pints, obwohl er nicht den Wunsch verspürte, noch mehr zu trinken, und sicher nichts mehr runterbrachte. Er wollte aber zumindest noch eine Stunde zuhören.
    Sein Begleiter machte es sich gemütlich, um weitere Geschichten über Gewalt, Spaß und

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