Schwarze Themse
erledigten.
Unglücklich setzte Monk sich und begann, seine Pastete zu essen. Es hatte keinen Sinn, sie kalt werden zu lassen.
Er hatte sie zur Hälfte aufgegessen, als er eine Bewegung wahrnahm.
»Haben Sie meine Pastete gegessen?«, sagte eine Stimme empört.
Er schaute auf. Vor ihm stand Scuff, das schmutzige Gesicht ein einziger Vorwurf. »Das hätten Sie nicht tun sollen!«, schimpfte er.
»Wenn du deine kalt essen willst, ist das deine Sache«, sagte Monk, überwältigt vor Erleichterung, die er keinesfalls zeigen wollte. Er hielt ihm die andere Pastete hin, die doppelt so groà war wie die vom Vortag.
Scuff nahm sie feierlich, setzte sich und hielt die Pastete mit beiden Händen, während er sie aÃ. Er schwieg, bis der letzte Bissen verputzt war, dann griff er nach dem Tee und dem Kuchen. Er sprach erst, als er fertig war.
»Das war gut«, meinte er zufrieden und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab.
»Du bist spät dran«, bemerkte Monk. »Woher weiÃt du überhaupt, wie spät es ist?«
»Ebbe und Flut natürlich«, antwortete Scuff mit übertriebener Geduld wegen Monks Dummheit. »Ich kenn mich aus mit dem Wasser.«
Monk sagte nichts. Daran hätte er denken sollen. Wenn es etwas gab, worüber ein Dreckspatz Bescheid wusste, dann über das Steigen und Fallen des Wassers.
Scuff nickte. »Haben Sie noch mehr Botengänge erledigt?«, fragte er und schaute auf die Becher, in denen der Tee gewesen war.
»Heute nicht. Ich suche einen Hehler, der mit guten Waren handelt, Gold vielleicht oder Elfenbein.«
»Mit Gold handeln viele«, sagte Scuff nachdenklich. »Weià keinen, der Elfenbein hat. Ziemlich viel wert, was?«
»Ja.«
»Fat Man. Er weià fast alles, was vor sich geht. Aber dem gehen Sie besser aus dem Weg. Das ist ein wirklich übler Bursche, dem sind Sie nicht gewachsen.« Es lag ein wenig Mitleid in seiner Stimme, und Monk war sich fast sicher, in seinen Augen Besorgnis zu erkennen.
»Ich suche nach Elfenbein«, sagte Monk. Er wusste, dass es unklug war, diesem jungen Dreckspatz etwas zu erzählen, was besser nicht überall die Runde machte, aber seine Verzweiflung wuchs. Seine Bemühungen am Vormittag hatten ihn bislang nicht zu einem einzigen Hehler geführt. »Wer verkauft so was?«
»Sie meinen billig?«
»Natürlich meine ich billig!«, sagte Monk mit einem vernichtenden Blick. »Wenn ich mich nicht an Fat Man wenden kann, an wen dann?«
Scuff dachte ein paar Augenblicke nach. »Ich könnte Sie zu Little Lil bringen. Sie weià meist, wer was verkauft. Aber das geht nicht einfach so. Ich muss Vorkehrungen treffen.«
»Wie viel?«
Scuff war beleidigt. »Das ist nicht nett. Ich vertraue Ihnen wie einem Freund, und Sie beleidigen mich!«
»Es tut mir Leid«, entschuldigte Monk sich ehrlich zerknirscht. »Ich dachte, es würde dich was kosten!«
»Ich esse gerne morgen wieder ein Stück Pastete. Ein Stück Pastete als Mittagessen ist wirklich gut. Kommen Sie wieder, wenn die Flut da ist.«
»Danke. Ich werde da sein.«
Scuff nickte zufrieden und war einen Augenblick später verschwunden.
Monk setzte seine Runde durch die Pfandläden fort und stieà schlieÃlich auf drei, bei denen er sich sicher war, dass sie auch Hehlerei betrieben, allerdings nur mit unbedeutenden Waren. Er wurde fast anderthalb Kilometer von zwei Jugendlichen verfolgt, die ihn vermutlich ausgeraubt hätten, wenn sie ihn alleine in einer der schmalen Gassen erwischt hätten, aber
er achtete sorgsam darauf, dass es dazu nicht kam. Zugleich gab er Acht, den Polizeipatrouillen, die er gelegentlich sah, aus dem Weg zu gehen. Er ärgerte sich darüber, aber er hatte keine Wahl.
Gegen vier Uhr war er wieder auf den Docks, wo Scuff auf ihn wartete. Wortlos führte der Junge ihn die breite StraÃe hinunter, die parallel zum Fluss lief, eine Steintreppe hinauf und durch eine Gasse, die so eng war, dass Monk instinktiv die Ellenbogen einzog. Abgestandener Essensgeruch, Abwasser und Ruà lieÃen ihn würgen. Sie waren zwanzig Meter vom Fluss entfernt, und schon schien die Feuchtigkeit von den Steinen aufgesogen und in einem Nebel wieder ausgeatmet zu werden, als die Abenddämmerung hereinbrach und die wenigen StraÃenlaternen in der Dunkelheit gelbe Inseln schufen. AuÃer dem stetigen Tropfen von den
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