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Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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bekommen, wenn er das Elfenbein fand. Vielleicht hingen zukünftige Aufträge am Fluss ebenfalls davon ab.
    Er füllte den Kessel und setzte ihn auf die Kochstelle, dann ging er wieder hinauf, um Hester zu wecken und sich von ihr zu verabschieden. Er hatte lange und gründlich darüber nachgedacht, wie er weiter vorgehen sollte, und war immer wieder auf die gleiche Antwort gekommen. Er musste den Hehler finden.
Zögernd ging er zu der Schublade seiner Kommode, nahm die goldene Uhr heraus, die Callandra ihm geschenkt hatte, und steckte sie in die oberste Innentasche seiner Jacke.
    Zehn Minuten später stand er im grauen Oktoberlicht draußen auf der Straße, und eine halbe Stunde später befand er sich wieder auf den Docks. Die Luft war ruhig, fast windstill, aber die Feuchtigkeit kroch unter die Haut, dass es sich anfühlte, als würde sie bis in die Knochen vordringen. Er fröstelte, kuschelte sich in seinen Mantel und schlug den Kragen hoch. Er schob die Hände tief in die Taschen und wich den Pfützen vom nächtlichen Regen aus. Es war eine Weile her, dass er sich neue Stiefel gekauft hatte, und es mochte noch länger dauern, bis er sich wieder welche leisten konnte. Er musste gut auf diese achten.
    Je länger Monk über das Elfenbein nachdachte, desto mehr glaubte er, dass die Diebe es zu einem bestimmten Raffsack gebracht hatten, der es auf dem spezialisierten Markt verkaufen konnte, wo es gebraucht wurde. Es gab entlang des Flusses nur eine begrenzte Anzahl solcher Leute. Das Hauptproblem bestand nicht darin, sie zu finden, sondern zu beweisen, dass sie wussten, wo das Elfenbein war, und seine Chancen auf Erfolg wurden mit jedem Tag geringer.
    Er fing in einem der besseren Pfandhäuser an, nahm die goldene Uhr heraus und fragte, was sie ihm dafür geben würden.
    Â»Fünf Guineen«, lautete die Antwort.
    Â»Und wenn ich mehr habe?«, fragte er.
    Der Pfandleiher machte große Augen. »Mehr davon?«
    Â»Natürlich.«
    Â»Woher haben Sie sie?« Seine Miene verriet skeptische Ungläubigkeit.
    Monk sah ihn geringschätzig an. »Was kümmert Sie das? Können Sie damit was anfangen oder nicht?«
    Â»Nein! Nein, solche Geschäfte mache ich nicht. Bringen Sie sie woandershin«, erwiderte der Pfandleiher energisch.
    Monk schob die Uhr wieder in seine Tasche und trat hinaus auf die Straße. Er ging schnellen Schrittes, hielt sich von den
Mauern fern und machte einen weiten Bogen um die Eingänge schmaler Gassen. Er fürchtete, dass es sich herumsprach und er ausgeraubt oder sogar umgebracht werden könnte, und bei dieser Vorstellung spürte er einen eisigen Knoten im Magen, kälter noch als der nasskalte Wind. Aber er wusste nicht, wie er sonst die Aufmerksamkeit eines Hehlers auf sich ziehen sollte. Er hatte keine Zeit, sich langsam vorzutasten, und kein Polizeiwissen, das ihm half oder ihn leitete. Instinktiv hätte er sich zuerst an die Polizei gewandt, aber in diesem Fall war er ja verpflichtet, sich von ihr fern zu halten, sie zu beobachten und ihr aus dem Weg zu gehen, als wäre er selbst ein Dieb. Wieder einmal verfluchte er Louvain dafür, dass er sich nicht der normalen Mittel bedienen konnte.
    Wie er Scuff versprochen hatte, fand er sich mit heißen Pasteten, Tee und Früchtekuchen zur selben Zeit am selben Ort auf den Docks ein. Er war lächerlich enttäuscht, dass dort niemand auf ihn wartete, als er auf der grauen, farblosen freien Stelle zwischen den alten Kisten stand. Bis auf die verlorenen Schreie der Seemöwen am Himmel und das Klagen des Nebelhorns, als Nebel vom Wasser aufstieg und Licht und Geräusche dämpfte, konnte er nichts hören. Die steigende Flut klatschte gegen die Pfähle des Piers, und in der Ferne riefen sich Männer etwas zu, in Sprachen, die er nicht verstand.
    Das Kielwasser einiger Barkassen schlug kräftig gegen das Ufer und erstarb wieder.
    Â»Scuff!«, rief er.
    Keine Antwort, keine Bewegung, nur eine Ratte flitzte zwanzig Meter weiter in einen Abfallhaufen.
    Wenn Scuff nicht bald kam, waren die Pasteten kalt. Aber er hatte natürlich keine Möglichkeit, die genaue Uhrzeit zu wissen! Und selbst wenn? Es war dumm zu erwarten, dass er da sein würde. Er war ein Bengel, genau wie die kleinen Diebe, die durch die Gassen der Stadt stromerten, Taschendiebstähle begingen oder für Fälscher, Falschspieler und Bordellbesitzer Botengänge

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