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Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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unterwerfen? Wer konnte seine Verwundbarkeit nutzbar machen und sie als Waffe tarnen?
    Â»Ich muss die Hehler ausfindig machen, die mit einer solchen Fracht umzugehen wissen«, sagte er ruhig. »Einen Mann mit den Kontakten, sie weiterzuverkaufen.«
    Â»Oder eine Frau«, fügte Louvain hinzu. »Einige Bordellbesitzerinnen betätigen sich auch als Hehlerinnen. Aber seien Sie vorsichtig. Nur weil sie Frauen sind, bedeutet das nicht, dass sie Ihnen nicht die Kehle aufschlitzen würden, wenn Sie ihnen in die Quere kommen.« Ein unbestimmtes Lächeln zuckte um seinen Mund und verschwand wieder. »Tot nützen Sie mir nichts.«
    Wenn es doch passierte, würde es ihn ärgern, aber es würde nicht auf seinem Gewissen lasten. Er zeigte einen gewissen Respekt vor Monk, eine Ruhe im Blick, eine Offenheit, die er einem unbedeutenderen Mann gegenüber nicht an den Tag gelegt hätte, obwohl man es auch nicht Wärme nennen konnte.
    Monk wollte sich nicht aus der Fassung bringen lassen. Er sah sich im Büro um und betrachtete die Bilder an den Wänden. Es waren keine Schiffe, wie er erwartet hatte, sondern wilde Landschaften von einer packenden fremden Schönheit, kahle Berge, die sich über tosendem Wasser erhoben oder unfruchtbar waren wie die Vulkane auf dem Mond.
    Â»Kap Hoorn«, sagte Louvain, der seinem Blick gefolgt war. »Und Patagonien. Ich habe sie aufgehängt, um mich daran zu erinnern, wer ich bin. Jeder Mann sollte wenigstens einmal im Leben einen solchen Ort sehen, die Gewalt und Ungeheuerlichkeit spüren, das Tosen von Wind und Wasser hören, das niemals aufhört, und auf einer solchen Ebene stehen, wo die Stille niemals gestört wird. Es gibt einem ein Gefühl für Proportionen.« Er zog die Schultern hoch und steckte die Hände in die Taschen, ohne den Blick von den Bildern abzuwenden. »Es misst Sie an den Umständen, sodass Sie wissen, was Sie tun müssen und was es bedeutet zu scheitern.«

    Monk überlegte einen Augenblick, ob das eine Warnung sein sollte, aber als er die Konzentration in Louvains Miene sah, wusste er, dass dieser mehr zu sich selbst sprach.
    Â»Es ist eine raue Schönheit«, fuhr Louvain fort, die Stimme von Ehrfurcht erfüllt. »In ihr liegt keine Gnade, aber sie bedeutet auch Freiheit, weil sie ehrlich ist.« Als ob ihm plötzlich wieder einfiele, dass Monk quasi ein Lohnarbeiter war und nicht seinesgleichen oder ein Freund, versteifte er sich, und die Gefühle verschwanden aus seiner Miene. »Bringen Sie mir mein Elfenbein zurück«, befahl er. »Die Zeit drängt. Vergeuden Sie sie nicht damit, dass Sie herkommen und mir erzählen, Sie hätten nichts.«
    Monk schluckte die Erwiderung herunter, die ihm auf der Zunge lag. »Guten Abend«, sagte er, drehte sich um, bevor Louvain antwortete, und ging hinaus.
    Auf der Straße zögerte er. Es war bitterkalt, der Wind blies scharf, und über dem Wasser stieg die Mondsichel auf. Auf dem Kopfsteinpflaster bildete sich Eis und machte es rutschig, und Monks Atem hing in der Luft wie eine feuchte Wolke. Der Gedanke, nach Hause zu gehen, war verlockend wie ein warmes Feuer in seinem Innern, aber es war noch zu früh, um den Tag schon verloren zu geben. Es war erst kurz nach sechs, und er konnte wenigstens noch zwei oder drei Stunden weitermachen. Inzwischen waren die Diebe das Elfenbein sicher schon losgeworden, und der Hehler suchte nach einem Abnehmer. Er musste ihn vorher finden.
    Er ging zurück die Straße entlang bis zu einer Gastwirtschaft, stieß die Tür auf und trat ein. Drinnen war es warm und laut, voller Rufe, Gelächter und Gläserklirren. Der Boden war mit schmutzigem Stroh bedeckt. Die Leute schubsten einander, um im gelben Laternenlicht näher an die Bar zu kommen, und das Gesicht des Schankkellners über den vollen Humpen glänzte vor Schweiß. Es roch nach Ale, den Ausdünstungen warmer, müder Körper, nassen Kleidern, Schlamm und Pferdedung, der an den Stiefeln klebte.

    Monk wurde langsam vorwärts geschoben und hielt Augen und Ohren offen. Unter die Männer mischten sich aufdringliche Straßenmädchen in roten und rosafarbenen Kleidern, die die Schultern frei ließen, die Gesichter mit falscher Fröhlichkeit bemalt. Sie lachten gezwungen, und ihre Augen waren müde.
    Er lauschte Gesprächsfetzen, immer bemüht, sie miteinander zu verbinden und ihnen einen Sinn

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