Schwarze Themse
schlieÃlich nicht mehr gewesen war als eine Höflichkeit. Rathbone nahm einen ganz leichten Rosenduft wahr, vielleicht war das auch der Duft ihrer warmen Haut. Das war eines der vielen Dinge, die ihm an ihr gefielen.
Er wollte sich mit ihr unterhalten. Sie hatten nur wenig Zeit allein, in Gesellschaft würden sie sich, wenn sie nicht unhöflich sein wollten, immer wieder unterbrechen lassen müssen, aber er war sich Mrs. Ballingers Erwartungen und der Empfindungen, die in ihm aufstiegen, nur allzu deutlich bewusst. Die Macht seiner Gefühle brachte ihn aus der Fassung. Wenn er offen sprach, verriet er sich womöglich, und dann gab es kein Zurück mehr.
»Wie geht es Hester?«, fragte er.
»Sie arbeitet sehr hart«, antwortete Margaret. »Und sorgt sich um die Finanzierung der Klinik. Obwohl wir gerade eine Frau aufgenommen haben, die eine sehr schlimme Lungenentzündung zu haben scheint, und der Mann, der sie gebracht hat, uns eine äuÃerst groÃzügige Spende überlassen hat und dafür zahlt, dass wir uns um sie kümmern. Das versetzt uns in die Lage, zumindest vierzehn Tage weiterzumachen.« Ihr Tonfall war höflich und besorgt, ihr Gesicht konnte er in dem wechselnden Licht der StraÃenlaternen und der Kutschen, an denen sie vorbeifuhren, nur gelegentlich erkennen. Es war taktlos von ihm, gleich nach Hester zu fragen, fast als ginge es ihm eigentlich um sie und nicht um Margaret.
»Zwei Wochen?«, sagte er. »Das ist nicht sehr lange.« Er war besorgt um sie, und er war bestürzt, als ihm klar wurde, dass er sich auch um die Existenz der Klinik sorgte. »Ich wusste nicht, dass der Spielraum so ⦠so eng ist.«
»Die Leute geben lieber für andere Dinge Geld«, erklärte sie.
»Ich habe es bei den meisten, die ich kenne, versucht, aber Hester hat eine Liste von Lady Callandra, und da werden wir es noch einmal probieren.«
»Wir?«, fragte er schnell. »Es wäre weitaus besser, wenn Sie es alleine täten. Hester ist â¦Â«
»Ich weiÃ.« Sie lächelte sowohl aus Belustigung als auch aus Zuneigung. Das Lächeln erhellte ihr Gesicht, bis die Sanftheit in ihr so mächtig zu sein schien, dass er beinahe die Hand ausstrecken und ihre Wärme spüren konnte. »Ich habe den Plural nur im weiteren Sinne gebraucht«, fuhr sie fort. »Hester hat mir die Namen gegeben, und ich soll an die Leute herantreten, sobald sich die Gelegenheit ergibt.«
»Warum macht Lady Callandra es nicht selbst?«
»Oh! Sie wissen es noch nicht?« Sie wirkte überrascht. »Sie verlässt England, um in Wien zu leben. Sie wird Dr. Beck heiraten. Ich nehme an, Hester wird es Ihnen bei nächster Gelegenheit erzählen. Sie freut sich natürlich für die beiden, aber es bedeutet, dass wir keine Lady Callandra mehr haben, an die wir uns wenden können. Sie war beim Spendensammeln wirklich einzigartig. Von jetzt an sind wir auf uns selbst angewiesen.« Sie wandte den Blick von ihm ab, schaute nach vorne aus dem Fenster, als sei der vorbeifahrende Verkehr von Interesse.
War sie befangen, weil sie von Heirat gesprochen hatte? Dachte sie darüber nach? War es das, was in den Köpfen aller jungen Frauen herumspukte? Wenn er sie fragen würde, ob sie ihn heiraten wolle, würde sie zweifellos Ja sagen. Ihre Wertschätzung für ihn war nicht zu übersehen. Das hieà natürlich nicht unbedingt, dass sie ihn liebte, nur, dass ihr die Zeit im Nacken saà und die Gesellschaft eine Heirat erwartete.
Mit einer Plötzlichkeit, die ihn völlig unvermittelt überfiel, wurde ihm klar, dass er erst dann heiraten wollte, wenn er so sehr liebte, wie er überhaupt lieben konnte. Und wenn das so war und er nicht umgekehrt mit der gleichen Leidenschaft geliebt wurde, würde er furchtbar leiden.
War er dazu bereit? Wollte er sein sehr erfolgreiches und befriedigendes
Leben aufgeben, um sich auf etwas einzulassen, das solche schmerzhaften Möglichkeiten barg? Womöglich konnte er mit den Schmerzen, die jeden Teil seines Daseins durchdringen und aller Wahrscheinlichkeit nach auch seine Fähigkeit zum logischen Denken lähmen würden, gar nicht umgehen?
»Ich bin mir sicher, dass Sie Erfolg haben werden«, sagte er ziemlich steif. »Ich muss Callandra sofort schreiben und sie beglückwünschen. Ich hoffe, ich bin nicht zu spät. Doch ihr Haushalt weià sicher, wohin der
Weitere Kostenlose Bücher