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Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Brief nachzusenden ist.«
    Â»Vermutlich«, antwortete sie und blickte weiterhin aus dem Fenster.
    Zehn Minuten später stiegen sie aus der Kutsche und wurden bei der Abendgesellschaft willkommen geheißen. Der große Salon war bereits voller Menschen: Männer in traditionellem Schwarz und Weiß, ältere Frauen in satten Farben wie Herbstblumen, die Jüngeren in Weiß, Creme und zartblassem Rosa. Schmuck glitzerte im Licht der Kronleuchter. Überall um sie herum das Summen der Gespräche, das gelegentliche Klirren von Gläsern und das Trillern gezwungenen Lachens.
    Rathbone spürte Margarets plötzliche Anspannung – als müsste sie eine Feuerprobe überstehen. Er wünschte, er könnte es ihr leichter machen. Es verletzte ihn, dass sie böswilligen Unterstellungen ausgesetzt war, statt den Respekt entgegengebracht zu bekommen, den sie verdiente. Sie hatte weit mehr Mut und Freundlichkeit, als für das notwendig war, was hier als Maßstab für den Wert eines Menschen galt. Doch das zu sagen wäre lächerlich. Es wäre ganz offensichtlich eine Verteidigung, wo gar kein Angriff erfolgt war.
    Lady Craven kam auf sie zu, um sie zu begrüßen.
    Â»Entzückt, Sie zu sehen, Sir Oliver«, sagte sie charmant. »Ich bin sehr erfreut, dass Sie uns mit Ihrer Anwesenheit beehren. Wir sehen Sie viel zu selten. Und Miss … Miss Ballinger, nicht wahr? Sie sind uns sehr willkommen. Ich hoffe, die Musik sagt Ihnen zu. Mr. Harding ist sehr talentiert.«

    Â»Das habe ich gehört«, antwortete Rathbone. »Ich gehe davon aus, dass der Abend ein voller Erfolg wird. Es wird zweifellos viel Geld für die Wohltätigkeit gesammelt.«
    Lady Craven war ein wenig verblüfft über seine Direktheit, aber sie war jeder gesellschaftlichen Situation gewachsen. »Das hoffen wir. Wir haben sehr genau geplant. Jede Einzelheit wurde mit größter Sorgfalt bedacht. Wohltätigkeit steht der Frömmigkeit sehr nah, nicht wahr?«
    Â»Ich glaube schon«, stimmte Rathbone ihr herzlich zu. »Und es gibt sehr viele, die Ihre Großzügigkeit bitter nötig haben.«
    Â»Oh, das will ich doch meinen! Aber wir denken an Afrika. Sehr hochherzig, nicht wahr? Lockt das Beste im Menschen hervor.« Damit schwebte sie hoch erhobenen Hauptes und mit einem Lächeln auf den Lippen davon.
    Â»Afrika!«, zischte Margaret mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich wünsche denen wirklich alles Gute für ihre Krankenhäuser, aber sie brauchen nicht alles!«
    Sie steuerte einen Platz in der allerersten Reihe an.
    Â»Ganz sicher?«, fragte Rathbone, der sich lieber weiter nach hinten gesetzt hätte.
    Â»Vollkommen«, antwortete Margaret, ließ sich anmutig nieder und ordnete mit einer raschen Bewegung ihre Röcke. »Wenn ich hier mittendrin sitze, kann ich unmöglich mit jemandem sprechen, ohne gegenüber dem Künstler entsetzlich unhöflich zu sein. Ich werde ihm konzentriert zuhören müssen, und das ist genau das, was ich tun sollte. Selbst wenn mich jemand anspricht, werde ich einfach nicht antworten können. Ich werde ein verlegenes und bedauerndes Gesicht machen und schweigen.«
    Vielleicht hätte er sein Lächeln verbergen sollen, schließlich wurde er beobachtet, aber das tat er nicht. »Bravo«, stimmte er ihr zu. »Ich werde neben Ihnen sitzen und verspreche, nichts zu sagen.«
    Es war ein Versprechen, dass er nur allzu gerne hielt, denn die Musik war ausgezeichnet. Der Mann war jung, hatte einen
wilden Haarschopf und ein exzentrisches Auftreten, aber er spielte sein Instrument, als wäre es ein Teil von ihm und enthalte die Töne seiner Träume.
    Eine Stunde später, als sie in dem kurzen Augenblick, bevor der Applaus ausbrach, von Stille umgeben waren, wandte Rathbone sich zu Margaret um und sah, dass ihr Tränen über die Wange liefen. Er hob die Hand, um sie auf ihre zu legen, überlegte es sich jedoch. Er wollte den Augenblick in Erinnerung behalten, statt ihn zu zerstören. Das Staunen in ihren Augen, die Verwunderung und die Gefühle, die zu zeigen sie sich nicht schämte, würde er nicht vergessen. Ihm wurde bewusst, dass er noch nie gehört hatte, dass sie sich für Ehrlichkeit entschuldigt hatte oder so tat, als berührten Mitleid oder Wut sie nicht. Sie verspürte nicht das Bedürfnis, ihre Meinung zurückzuhalten oder so zu tun, als sei sie

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