Schwarzer, Alice
Muslime dar, von Palästina bis Kaschmir, von Bosnien bis
Tschetschenien.
Ein Klick auf die 2003 wegen extremistischer und antisemitischer
Propaganda sowie bekennender Gewaltbereitschaft in Deutschland verbotene Hizb
ut-Tahrir, www.hizbuttahrir.org, und schon hat man die Polemik der Organisation
in arabischer und englischer Sprache auf dem Schirm. Unverblümt wird dort die
Wiedererrichtung des islamischen Kalifates propagiert. Im Kalifat kenne man
dann auch den passenden Umgang mit Menschen, die den Islam beleidigen, wie die
Urheber der berühmten Karikaturen oder Papst Benedikt XVI. Ein Recht auf
abweichende Meinung gibt es weder für Muslime noch für Nichtmuslime.
Islamische Propagandisten sprechen von einer völlig neuen
Perspektive zur Einigung der Umma im einen Glauben. Cyber-Muslime, E-Dschihad
und Online-Islamisten sind längst keine Fremdwörter mehr. Im Vorfeld der
islamischen Revolution im Iran hatte Ayatollah Khomeini seine Propaganda aus
dem irakischen und französischen Exil noch als Tonband- und Kassettenaufnahmen
unters Volk gebracht. Auf verschlungenen und oftmals langen und abenteuerlichen
Wegen gelangten sie in die letzten Winkel des Landes. Heute bedarf es lediglich
des weltweiten Netzes, um jede beliebige Information oder auch Propaganda von
A nach B zu transportieren.
Die Zahl der durchschnittlichen Nutzer pro Rechner liegt
in der islamischen Welt deutlich höher als im Westen, der Multiplikatoreffekt
kommt hinzu. Weltweit einmalig dürfte die Intensität der Nutzung religiöser
Seiten sein; sie rangieren mit 10 Prozent ganz oben auf der Rangliste
arabischer Websites.
Inzwischen tauchen nahezu täglich in diversen Sprachen
neue Internetadressen mit teilweise oder ausschließlich religiöser Thematik
auf, die häufig eine saudisch-wahhabitische Lesart des Islam mit missionarischem
Eifer vertreten. Die Werke der verstorbenen und überaus einflussreichen Muftis
Ibn Baz und Uthaymeen werden wieder und wieder zitiert und unter anderem über www.fatwa-online.org
in alle Welt verbreitet. Entschieden warnen diese Gelehrten die Gläubigen vor
jedem noch so kleinen Zugeständnis gegenüber den Nichtmuslimen und titulieren
die Christen als Feinde des Islam, denen man allenfalls in missionarischer
Absicht begegnen dürfe.
Frauen, deren Teilnahmemöglichkeiten am öffentlichen Leben
in traditionell-islamischen Milieus begrenzt sind, nutzen das Internet als
Informationsquelle und bilden sich in religiösen Fragen am heimischen
Bildschirm fort: von der islamgemäßen Kleidung der Frau, über ihr Verhalten in
der Öffentlichkeit bis zu ihren Rechten und Pflichten in Ehe und Familie sowie
Fragen ihrer rituellen Reinheit - auf alles finden sie Antwort im Netz.
Aber auch der »Zentralrat der Muslime in Deutschland«
(ZMD) referiert auf seiner Homepage www.islam.de klassische Scharia-Positionen
wie diese: »Wenn der Mann den Entschluss gefasst hat, sich scheiden zu lassen
(arabisch: talaq), muss er erst einmal warten, bis die Frau sich in einer
blutungsfreien Phase befindet, in der sie keinen Beischlaf hatte. Erst dann
darf er mündlich und in besonnenem Zustand die Scheidung aussprechen. Nachdem
er dies getan hat, ist die Scheidung noch nicht vollzogen. Die Frau soll
weiterhin zu Hause wohnen. Es beginnt eine Zeit (im arabischen Idda genannt),
die drei Monatsblutungen der Frau (bzw. drei Monate, falls keine Monatsblutung
mehr vorkommt) dauert und während derer der Mann die Scheidung zurücknehmen
kann. Tut er dies, gilt die Ehe als nicht geschieden. Tut er es nicht, ist die
Ehe nach Ablauf der Frist geschieden.« Die Frau muss also abwarten und ist
sowohl den Scheidungsabsichten ihres Mannes als auch der Wiederaufnahme der
ehelichen Beziehungen wehrlos ausgeliefert. Das hindert den Zentralrat
keineswegs daran, gleichzeitig zu behaupten: »Der Islam kennt keine
Diskriminierung und Abstufung aufgrund des Geschlechts.« Die Islamische
Gemeinschaft Milli Görüs zeigt auf ihrer Homepage www.igmg.de auf der
Hauptseite eine Gruppe von Muslimen, darunter eine unverschleierte Frau. Das
suggeriert - ob nun gezielt oder unbeabsichtigt - Vielfalt und persönliche
Entscheidungsfreiheit. Sehr viel einheitlicher zeigt sich allerdings die
Kleidung der Teilnehmerinnen an den diesjährigen religiösen Sommerkursen der
IGMG, die in der aktuellen Juli/August-Ausgabe der Verbandszeitschrift
»Perspektive« auf Seite 12 abgebildet sind: Mädchen im Schulalter, weit vor und
nach der Pubertät, ausnahmslos mit Kopftuch.
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