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Schwarzer, Alice

Schwarzer, Alice

Titel: Schwarzer, Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die grosse Verschleierung
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einem rasanten Anstieg
diverser religiöser Fundamentalisten zu tun, die sich gegenseitig
unterstützen, sobald es nötig ist. Sie bilden die »heilige Allianz der
Religionen«, wie es Alain Finkielkraut so treffend gesagt hat. Sie sind
katholisch, muselmanisch oder jüdisch. Sie sind es, die mit einer einzigen
Stimme »Die letzte Versuchung Christi« von Martin Scorsese oder »Die
satanischen Verse« von Salman Rushdie verurteilen. Oder die begrüßen, dass
junge Muselmaninnen den Schleier tragen - der nicht zufällig auch das Zeichen
ihrer Unterwerfung unter das Gesetz des Mannes ist!
    Auch der große Rabbiner von Frankreich unterstützte den
muselmanischen Fundamentalismus und forderte bei der Gelegenheit das Recht für
seine Schäfchen, in der Schule die Kippa zu tragen und schulfrei
freitagnachmittags und samstags, um den Sabbat heiligen zu können. Ebenso hielt
es das katholische Epikopat, das nie aufgehört hat, den Katechismusunterricht
im Rahmen der staatlichen Schulen zu fordern. Ob sie es zugeben oder nicht: Die
Republik ist in ihren Augen immer noch eine Hure, die sich eigentlich den vier
Willen der orthodoxen Religiösen unterzuordnen hat, denn ein Bürger ist
allemal weniger wert als ein Gläubiger.
    Diese Religiösen verstehen es, zunächst einmal zusammenzuhalten,
um ihre Sache voranzutreiben - ohne zu sehen, dass sie letztendlich so auch die
Auflösung ihrer eigenen Werte fördern sowie das Prinzip der Universalität aller
Bürger. Sie sehen heute nicht, dass sie sich in einer zweiten Phase
untereinander zerreißen werden, um ihren Glauben den jeweils anderen
aufzuzwingen.
    Man sollte glauben, dass die gesamte Linke und auch das
republikanische Frankreich das durchschaut. Aber nein, offizielle Stimmen
vertraten die Auffassung, dass dieses weltliche Verständnis von der
Gesellschaft überholt sei, und dass das heilige Recht auf den Unterschied (ich
komme darauf zurück) jedem Menschen erlauben sollte, jederzeit und an jedem Ort
seine religiösen Präferenzen auszuleben - ohne Rücksicht auf die für alle
geltenden Gesetze.
    Ich versuchte, den jungen Leuten, die von »Toleranz« sprachen
(»Man soll anziehen können, was man will«), zu erklären, dass der Schleier
alles andere als nur ein Kleidungsstück sei: Er ist das Symbol der
Unterdrückung eines Geschlechts! Eine zerfetzte Jeans anziehen, sich die Haare
gelb oder blau färben, das sind Befreiungsakte gegen die geltenden
Konventionen. Aber seine Haare unter einem Kopftuch verstecken, das ist ein Akt
der Unterwerfung. Er überschattet das ganze Leben einer Frau, ihr Vater oder
ihr Bruder werden ihr ihren Mann aussuchen, der mehrere Frauen heiraten darf.
    Es muss einem klar sein, dass die Frauen nicht zufällig
die Hauptzielscheibe der Fundamentalisten sind. Denn sie sind diejenigen, die
sich als Erste in die französische Demokratie integriert haben. Das ist kein
Zufall: sie profitieren am meisten davon: Schule, Verhütung, Abtreibung ... Ist
es ein Zufall, dass sich die Fruchtbarkeitsrate der Gastarbeiterinnen, vor
allem der arabischen, auch in Frankreich (und Deutschland, Anm. d. Hrsg.) mehr
und mehr dem französischen Durchschnitt nähert? Die Emigrantinnen bekommen
jetzt weniger Kinder und gehen mehr zur Schule, sie wollen teilhaben an dieser
Art von Freiheit und der Gleichberechtigung der Geschlechter. Sie sind darum
die Ersten, die die Fundamentalisten unterwerfen wollen - und genau das ist der
Knackpunkt bei der konzertierten Schleieraffäre.
    Unter dem Druck der Fundamentalisten steigt die Zahl der
verschleierten Frauen in den letzten Jahren rapide an. Auch in Frankreich. Und
die Lehrerinnen lassen es hilflos geschehen - aus Angst, sonst für rassistisch
gehalten zu werden. Aber wenn die französische Schule das zulässt, entwaffnet
sie alle diejenigen, die sich nicht unterwerfen wollen. Denn noch kann ein
junges Mädchen, das den Schleier nicht tragen will, ohne Problem Nein zu ihrem
Vater sagen, weil sie sich dabei auf das weltliche Gesetz beruft. Ohne
öffentliche Regeln aber steht sie ihm allein gegenüber und verliert.
    Wenn die Schleieraffäre so heftige Reaktionen ausgelöst
hat, so liegt das auch daran, dass das Kopftuch das Symbol des muselmanischen
Fundamentalismus an sich ist. Dabei haben die einen ein politisches Interesse
daran, den Islam mit dem Fundamentalismus gleichzusetzen, um so den immer
stärker werdenden Rassismus der Rechtsextremen anzuheizen. Die anderen,
darunter auch engagierte Antirassisten, leugnen einfach die

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