Schwarzer, Alice
einer
gewaltverherrlichenden, sexistischen, frauenfeindlichen, rassistischen und homosexuellenfeindlichen
Ideologie das Fundament der Demokratie angreift.
Wir haben erlebt, wie die islamistischen Bewegungen im feigen
Einvernehmen und mit Unterstützung bestimmter Teile der Linken die tief gehende
Rückschrittlichkeit zementieren, die sich mitten in unseren Städten eingenistet
hat. In Kanada wäre es fast zur Einrichtung islamischer Gerichte gekommen. In
Großbritannien ist das in vielen Gemeinden bereits der Regelfall. Von einem
Ende des Planeten bis zum andern verbreitet sich das Tragen des islamischen
Schleiers und wird zur Gewohnheit, manche halten ihn sogar für eine annehmbare
Alternative, denn er sei immer noch besser als die Burka!
Was sagen wir zu der nachgiebigen Haltung der westlichen
Demokratien, wenn es um die wesentlichen Grundlagen des Zusammenlebens und des
Gemeinwesens geht, um die Verteidigung des staatlichen Schulsystems, die
öffentlichen Dienstleistungen und die Neutralität des Staates? Was sagen wir
zum Rückzug in der Abtreibungsfrage hier in Frankreich?
Als der FIS (Front islamique du salut - Islamische
Heilsfront) Anfang der 90er-Jahre meine Heimat Algerien mit Krieg überzog und
Tausende von Algeriern ermordete, begriff ich die Notwendigkeit der Trennung
von Staat und Religion. Seitdem hat sich, wie wir heute feststellen müssen,
nicht viel verändert.
Noch immer werden weltweit sehr viele Frauen erniedrigt,
geschlagen, vergewaltigt, verstoßen, ermordet, verbrannt, ausgepeitscht und
gesteinigt. Und in wessen Namen? Im Namen der Religion, in diesem Fall eines
instrumentalisierten Islams.
Weil sie eine arrangierte Ehe oder das Tragen des
islamischen Schleiers verweigern, die Scheidung verlangen oder Hosen getragen
haben, Auto gefahren oder ohne männliche Erlaubnis aus dem Haus gegangen sind,
müssen Frauen, sehr viele Frauen, die Barbarei am eigenen Leib erdulden. Ich
denke besonders an unsere iranischen Schwestern, die auf den Straßen Teherans
demonstrierten, um Ahmadinejad, einem der schlimmsten Diktatoren der Welt,
Angst zu machen. Ich denke an Neda, die junge Iranerin, die im Alter von 26
Jahren getötet wurde. Wir alle sahen das Bild, wie Neda am Boden liegt und ihr
das Blut aus dem Mund läuft. Ich denke an Nojoud Ali, die kleine zehnjährige
Jemenitin, die nach der Zwangsverheiratung mit einem Mann, der dreimal so alt
war wie sie, um das Recht auf Scheidung kämpfte und es bekam. Ich denke an
Loubna Al-Hussein, die im vergangenen Sommer durch ihre Kleidungswahl die
Regierung in Khartoum in Angst und Schrecken versetzte.
Bereits 1984 wurde in Algerien ein Familiengesetz beschlossen,
das sich an der islamischen Scharia orientierte. Ich war damals zwölf Jahre
alt. Dieses Gesetz verlangt von der Ehefrau Gehorsam gegenüber ihrem Mann und
ihren Schwiegereltern, erlaubt die Verstoßung, die Polygamie, entlässt die Frau
aus der elterlichen Verantwortung und erlaubt dem Ehemann, seine Frau zu
züchtigen. Im Erbschaftsrecht wie bei Zeugenaussagen wird die Ungleichheit zum
System erhoben, denn die Stimme zweier Frauen zählt so viel wie die eines
Mannes, und das Gleiche gilt bei Erbanteilen.
Die Frauen in den islamischen Ländern leben unter den
schlimmsten Bedingungen weltweit. Das ist eine Tatsache, die wir erkennen
müssen. Darin besteht unsere oberste Solidaritätspflicht gegenüber all den
Frauen, die den schlimmsten Gewaltregimen auf der Welt die Stirn bieten. Wer
wollte das bestreiten? Wer wollte dem widersprechen? Wer wollte das Gegenteil
behaupten? Die Islamisten und ihre Komplizen? Natürlich. Aber nicht nur sie.
Es gibt auch einen Relativismus, eine politische Tendenz,
die fordert, wir müssten im Namen der Kulturen und der Traditionen
Rückschrittlichkeit akzeptieren. Man verdammt die anderen dazu, Opfer zu
bleiben, und behandelt uns als Rassisten und Islamgegner, wenn wir für die
Gleichberechtigung der Geschlechter und die Trennung von Staat und Religion
eintreten. Und dieselbe Linke empfängt mit offenen Armen Tarik Ramadan (Anm.
d. Hrsg.: Enkel des Gründers der fundamentalistischen Muslim-Brüder in Ägypten
und heute einer der islamistischen Vordenker in Europa), damit er sich landauf,
landab aufspielen und die republikanischen Werte niedermachen kann.
Ich sage euch: In meiner Kultur gibt es nichts, was mich
als Frau dazu bestimmt, unter einem Leichentuch als dem zur Schau getragenen
Symbol von Andersartigkeit zum Verschwinden gebracht zu werden. Nichts, was
mich
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