Schwarzer Koks (German Edition)
die Wand. Der Wachmann sah ihn von oben bis unten an. Fußgänger kamen zwischen den Autos durch. Einige sahen ihn argwöhnisch an. Mopeds rasten vorbei. In der Ferne waren Sirenen zu hören.
Die Stadt hatte plötzlich etwas Unheilvolles. Nathan taten die Aussteiger leid, Tramps, Drogenabhängige, die sich hier auf der Straße durchschlagen mussten. Jetzt erfuhr er am eigenen Leib die Ablehnung, die sie täglich erfuhren.
Lucia kam durch die Drehtür. »Alles klar. Komm mit.«
Sie eilten durch die Marmorlobby auf eine Reihe von Aufzügen zu. Fünf Minuten später waren sie in einem Doppelzimmer in der dritten Etage mit einem Fenster auf die Straße hinaus. In der Ecke gab es einen kleinen hölzernen Sekretär mit einer Schreibtischlampe mit dunklem Schirm. An den Wänden hingen Fotos von Bogotá und den Bergen im Hintergrund. Der Boden war weiß gefliest.
Lucia bugsierte Nathan direkt ins Bad und warf ihm ein Handtuch zu.
»Unter die Dusche. Sofort.«
Nathan zögerte. Lucias Augen leuchteten auf. Sie wandte sich ab.
»Ich besorge was zum Anziehen«, sagte sie im Hinausgehen. Eine Viertelstunde später kam Nathan aus der Dusche. Er wand sich ein Frottiertuch um die Hüften und warf einen prüfenden Blick in den Spiegel. Er ignorierte den Bart und das lange Haar. Seine Brust wie auch seine Seiten waren grün und blau geschlagen. Die betreffenden Stellen taten höllisch weh. Es würde so einige Tage dauern, bis die Prellungen besser wurden. Seine Fingernägel waren noch voller Dreck. Also hielt er sie unter den Wasserhahn und schrubbte mit Seife drauflos.
Schließlich ging er ins Schlafzimmer und setzte sich auf die Bettkante. Ihm schwamm der Kopf von den Ereignissen der letzten Tage. Er konnte von Glück reden, da herausgekommen zu sein. Allerdings dürfte Amonite mittlerweile die halbe Front auf ihn angesetzt haben. Er legte sich auf das Bett und breitete die Arme aus. Wieder kam ihm Caitlin in den Sinn. Der Schnitt in ihrem Hals. All das Blut.
Ich krieg die schon, Caitlin. Die werden bezahlen.
Sich vage der Regentropfen am Fenster bewusst, fiel er in einen unruhigen Halbschlaf voll merkwürdiger Träume. Schließlich öffnete sich die Tür. Lucia stand im Rahmen und starrte ihn an. Ihr dunkles Haar war nass und klebte an ihren Wangen wie ein Rahmen um ihr rundes Gesicht.
»Hier.« Sie warf eine Plastiktasche neben ihm auf das Bett. »Kleine Bescherung von Gap.«
Nathan drehte sich um und rieb sich die Augen. Ein Hauch von Parfüm lag in der Luft. Lucia hatte noch eine zweite Tüte. Immer wieder sah sie ihn an. Sie wirkte besorgt.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er, als er die große Tasche auf sich zuzog.
»Wir müssen Manuel finden.«
»Weiß er, dass wir hier sind?«
»Wie sollte er?«
Nathan stieg in eine nietnagelneue Jeans. »Hast du seine Nummer?«
»Ich habe mein Handy weggeworfen, so wie du’s mir gesagt hast.«
»Stimmt was nicht?«, fragte Nathan. Er zog sich ein weißes T-Shirt über.
Lucia antwortete nicht.
Nathan zuckte die Achseln. »Dann suchen wir ihn eben.«
Sie machten sich auf den Weg. Jetzt, wo Nathan wieder sauber und präsentabel war, achtete niemand weiter auf sie. Er erspähte einen Münzfernsprecher auf der anderen Straßenseite. Lucia gab ihm einige Münzen. Er wählte Manuels Nummer.
»
Sí?
«
»Wo steckst du?«
»Nathan! Ich hab mir schon Sorgen gemacht.«
Nathan blickte die Straße hinauf und hinunter. Ein Neonschild fiel ihm ins Auge. »Josepe’s. An der Calle Ciudad. In einer Stunde.«
»Ist Lucia bei dir?«
»Ja.«
»Ich habe eine gute Nachricht.«
»Und die wäre?«
»Sag ich dir, wenn wir uns treffen.«
Kapitel 62
Bogotá, Kolumbien
14. April 2011
Nathan und Lucia gingen zurück ins Hotel, um dort zu warten. Nathan setzte sich an den Sekretär und presste die Hände aneinander, damit sie zu zittern aufhörten. Er konnte noch immer kaum glauben, diesem Alptraum lebend entronnen zu sein. Ein Bild des toten Junkies kam ihm in den Sinn. Unmittelbar darauf sah er den anderen brennen. Ihre erbärmliche Existenz hatte ein tragisches Ende gefunden. Die Front hatte sie beide zerstört.
Lucia sank auf eines der Betten und lehnte sich gegen die Wand. Sie wirkte noch besorgter als zuvor. Immer wieder sah sie ihn aus dem Augenwinkel heraus an.
»Meinst du, wir schaffen das?«, fragte sie nach eine Weile.
»Was?«
»Na, der Front das Handwerk zu legen?«
Nathan fixierte seine Finger. Er hatte noch immer Dreck unter den Nägeln. Er gab sich alle
Weitere Kostenlose Bücher