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Schwarzer Koks (German Edition)

Schwarzer Koks (German Edition)

Titel: Schwarzer Koks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
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es über Joannas Leiche; kaum dass sie ihr entstelltes Gesicht anzusehen wagte. Es war ihre Schuld, dass Joanna hatte sterben müssen. Ihre Schuld, dass man sie gefoltert hatte.
    Alles war ihre Schuld.
    Sie verließ die Wohnung. Sie erhaschte einen Blick auf ein verängstigtes Gesicht, das durch einen Spalt in der Wohnungstür von nebenan spähte. Sofort fiel die Tür zu.
    Sie musste sich einen Ort suchen, wo sie sicher war, wo sie aufatmen, sich mit Nathan in Verbindung setzen konnte. Wo sie überlegen konnte, was zu tun war.

Kapitel 75
    Bogotá, Kolumbien
15. April 2011
    Lucia schritt durch die Lobby der Pension; sie sah weder den Rezeptionisten an noch den Portier. Ihr zitterten die Beine, als sie forsch die Straße hinaufging, ohne zu wissen wohin. In ihrem Kopf ging es drunter und drüber. Rudolphs zerschlagenes, blutiges Gesicht wollte ihr nicht aus dem Sinn. Sie hatte noch nie jemanden getötet, auch wenn sie genügend Tote gesehen hatte, vor allem Freunde und Angehörige, die Opfer des Drogenkriegs geworden waren.
    Aber Rudolph hatte sie umzubringen versucht. Das durfte sie nicht vergessen. Sie durfte nicht zulassen, dass sie sich wegen dieses Schweins schuldig fühlte, sonst würde sie sich davon nie erholen.
    Sie bog um die Ecke und überquerte die Straße, ohne nach den Autos zu sehen. Eines davon kam hupend kaum einen halben Meter vor ihr zum Stehen. Der Fahrer ließ das Fenster herab und bedachte sie mit einem Erguss von Obszönitäten. Sie ignorierte ihn und setzte ihren Weg fort.
    Nach etwa zwanzig Minuten blieb sie stehen und sah sich um. War ihr jemand gefolgt? Kaum wahrscheinlich. Dann hätte man sie längst aufgehalten. Sie setzte sich auf die Terrasse eines Cafés und bestellte sich eine Tasse. Sie versuchte krampfhaft ihre Atmung unter Kontrolle zu bekommen, spürte die Luft in ihre Lungen eindringen, versuchte sich zu entspannen, sich irgendwie zu beruhigen. Es hatte keinen Sinn; zu groß war der Aufruhr in ihr.
    Sie trank den Kaffee aus, legte einen Schein neben die Tasse und ging. Sie schlug einige Haken, bis sie in einer Straße voll billiger Absteigen stand. Sie betrat die erste und nahm ein Einzelzimmer für eine Nacht. Dort lag sie dann auf dem Bett und starrte gegen die Decke. Bilder von Rudolph und Joanna zogen an ihr vorbei. Alles tat ihr weh; ihr Körper war grün und blau. Ihre Lippen bebten und ihr Atmen ging flach und schnell.
    Schließlich begann sie im Zimmer auf und ab zu laufen. Galle trat ihr in den Rachen. Sie eilte ins Bad und übergab sich, bis nur noch bittere gelbe Flüssigkeit kam. Sie wandte sich dem Waschbecken zu und spritzte sich Wasser ins Gesicht. Sie sah sich im Spiegel an. Ihre Wangen waren eingefallen, ihre Augen blutunterlaufen, die Lippen ganz blau.
    Wieder würgte es sie. Sie wandte sich der Toilette zu, aber es war zu spät. Die bittere Flüssigkeit spritzte auf die Kacheln, bildete dort eine Pfütze. Lucia sank auf den Boden. Sie schlang die Arme um die Knie und zog sie an sich. Tränen strömten ihr über die Wangen. Sie schüttelte den Kopf. Sie konnte sich jetzt keinen Zusammenbruch leisten. Sie würde damit nur ihre Niederlange eingestehen.
    Sie ging ihre Möglichkeiten durch: Octavia und Joanna waren tot; sie wusste nicht, wie sie sich mit Manuel oder Nathan in Verbindung setzen sollte; sie hatte Dutzende von Kontakten, aber keinem konnte sie trauen. All die Arbeit mit der Kampagne, all das Lobbying, das Networking für Kolumbianer gegen die Front, und dennoch waren all die Beziehungen, die sie aufgebaut hatte, an der Oberfläche geblieben und nutzlos, wenn sie tatsächlich jemanden brauchte. Sie vermisste Nathan. Wenn sie nur wüsste, wie sie ihn finden sollte. Sie würde sich für alles entschuldigen.
    Sie legte sich wieder aufs Bett. Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie war so was von müde.
    Als sie einige Stunden später aufwachte, wusste sie genau, was zu tun war. Es war, als hätte in ihrem Kopf jemand einen Schalter umgelegt. Sie kramte in ihrer Handtasche. Da war er: der Zettel, den Nathan ihr gegeben hatte. Sie trat an den Schreibtisch, nahm den Hörer vom Telefon und wählte die Nummer, die auf den Zettel gekritzelt stand.
    Das Telefon klingelte. Einmal. Zweimal. Dreimal.
    Geh ran, verdammt noch mal.
    »Belville.« Es war eine leise Männerstimme.
    »Ist da Cedric Belville?«
    »Wer ist denn da?«
    »Eine Freundin von Nathan Kershner.«
    Es entstand eine Pause. »Was ist denn passiert?«
    »Wir brauchen Ihre Hilfe.«

Kapitel 76
    Ciudad

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