Schwarzer Koks (German Edition)
hat.«
»Das kann die Front doch kaum beabsichtigt haben«, sagte Manuel.
»Womöglich ist das denen noch gar nicht klar«, sagte Lucia. »Vielleicht produzieren die dieses Teufelszeug einfach munter drauflos, denken, es ist alles in Ordnung, nichts weiter als eine neue Designerdroge oder was auch immer.«
»Autopsiebefund eines Drogenabhängigen«, las Nathan auf einem der anderen Aktendeckel aus dem Koffer. »Das muss der Kadaver gewesen sein, den ich im Keller des Crackhauses in Hackney gefunden habe.«
Lucia beugte sich herüber. »Was steht denn drin?«
»Menge an Black Coke im Blut: vier Gramm. Person starb an Herzversagen infolge einer Überdosis. Die Autopsie ergab eine schwere Osteoarthritis sowie eine heftige schwarze Pigmentierung der Gelenk-, Rippenknorpel und Bandscheiben.«
»Und was bedeutet das?«, fragte Lucia.
»Ein Blick in die einschlägige Literatur ergab, dass diese Symptome in ihrer Heftigkeit denen von Ochronose-Patienten im siebten oder achten Lebensjahrzehnt in nichts nachstehen. Schau dir das an. Das ist eine Aufnahme eines Ellbogengelenks.« Nathan hielt den Bericht so, dass Lucia hineinsehen konnte. »Und das ist ein Hüftgelenk.«
»Die sind ja pechschwarz.«
»Das hier ist die Wirbelsäule«, sagte Nathan und wies auf ein anderes Foto. »Siehst du, hier? Wo die Bandscheiben eingefallen sind, sind sie verschmolzen.«
Nathan reichte die Mappe Lucia und nahm die dritte Mappe aus dem Koffer. In ihr ging es um einen jamaikanischen Drogenboss, einen gewissen Reverend Elijah Evans, und seine Verbindungen zu den jamaikanischen Gangs in Brixton und Miami. SOCA-Agenten hatten ihn in Zusammenarbeit mit der Polizei in Miami aufgespürt und festgestellt, dass er den schwarzen Koks importiert hatte. Man hatte ihn dabei erwischt, wie er den letzten Teil eines Kontingents in einem ziemlich feudalen Anwesen auf den Florida Keys abliefern wollte. Man hatte ihn genötigt, Amonite eine Falle zu stellen.
Nathan schätzte, Cedric war hergekommen, um sich mit diesem Reverend zu treffen. Was wiederum bedeutete, dass Evans in Bogotá war. Jetzt, wo Cedric tot war, suchte Elijah vermutlich nach einer Möglichkeit, wieder ins Geschäft zu kommen. Es sei denn, Amonite hatte von seinem Verrat erfahren und hatte ihn umgebracht.
Schließlich befand sich noch ein vierter Aktendeckel in dem Koffer. Er trug Nathans Namen. Außerdem ein auffälliges Symbol: ein Schwert, das senkrecht in einem Globus stak – das Logo von Interpol. Innen fand er nur ein einziges Blatt mit Nathans Foto, einer kurzen Personenbeschreibung, dem Interpol-Logo in Rot und – in fetten Lettern – »GESUCHT«. Es war eine so genannte Red Notice: Interpols offizieller Haftbefehl für international Gesuchte nebst Auslieferungsgesuch. Nathan hatte Hunderte solcher Red Notices gesehen, alle für Drogenhändler und andere Kriminelle; nie und nimmer hätte er erwartet, irgendwann einmal eine mit seinem Namen zu sehen. War Cedric gekommen, um ihn zu verhaften?
»Da vorne ist es.« Manuel wies mit dem Finger. Sie rasten durch den hügeligen Norden von Bogotá. Vor ihnen tauchte eine kleine, von Stacheldraht umgebene Landebahn auf. Die untergehende Sonne tauchte sie in ein zartviolettes Licht.
»Bist du absolut sicher, dass der Typ zuverlässig ist?«, sagte Nathan.
»Das hatten wir doch schon«, sagte Manuel, als er vor dem Wachhäuschen an der Zufahrt hielt. »Er ist der beste Pilot, den du kriegen kannst.«
Nathan wandte sich an Lucia, die ihn mit großen Augen ansah.
»Und du, bist du auch sicher, dass du weitermachen willst?«, fragte er. »Du könntest im Hotel auf uns warten.«
»Ich werd nicht noch mal untätig rumsitzen.«
»Du hast die Einzelheiten? Den Ort, alles?«
»Keine Bange«, sagte Lucia. »Ich weiß, was ich tue.«
»Und du bist überzeugt, dass er dir zuhören wird?«
»Nathan, bitte!«
»Na schön. Dann mal los.«
Kapitel 86
Putumayo, Kolumbien
16. April 2011
Es war rundum dunkel. Die Stadt lag bereits Stunden hinter ihnen. Außer dem Dröhnen der einmotorigen kleinen Cessna war nichts zu hören. Der Pilot flog nach den Instrumenten. Selbst die Positionslichter der Maschine waren aus. Von dem Dschungel unter ihnen war nichts zu sehen.
Nathan atmete tief durch in dem Versuch, sich zu entspannen. Er hängte sich die AK-47 über die Schulter und prüfte zum fünften Mal, ob alles in Ordnung war: der Rucksack auf dem Bauch, der Fallschirm auf dem Rücken, die Munition in den Taschen. Noch einmal prüfte er
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