Schwarzer Koks (German Edition)
seine Schnürsenkel und die Knöpfe an seinem Hemd. Er warf einen Blick auf Manuel, der sich mit einem Zweig, den er am Flugplatz aufgelesen hatte, die Zähne putzte.
Nathan beugte sich vor und fragte den Piloten: »Wie lange noch?«
»Fünf Minuten.«
Zum fünfzehnten Mal ging er ihren Plan durch. Der war ganz einfach: den unterirdischen Stützpunkt finden, eindringen, den ganzen Laden in die Luft jagen. Falls Amonite dort war, umso besser. Wenn nicht, dann würde er sie eben aufspüren – und wenn es den Rest seines Lebens dauerte.
»Zwei Minuten«, rief der Pilot.
Nathan spähte in die Finsternis unter ihnen. Sie hätten über dem Rand der Welt sein können. Er checkte sein GPS. Die Koordinaten waren korrekt.
»Eine Minute.« Der Pilot sah sich um und hob einen Daumen. »Viel Glück.«
Nathan öffnete die Tür. Wütend fauchte der Wind herein und füllte die Kabine. Nathan umfasste die Haltegriffe links und rechts der offenen Tür. Er hatte etwa zwanzig Sekunden freien Fall, bevor er den Fallschirm öffnen musste.
Der Pilot begann den Countdown: »Fünf, vier, drei, zwei, eins, Sprung.«
Nathan warf sich ins Leere und begann, bis zwanzig zu zählen. Er entspannte sich, spürte an jedem Zentimeter seines Körpers, von den Fingerspitzen über den Kopf bis in die Zehen, den Wind. Der freie Fall war ihm immer schon die liebste Phase des Sprungs gewesen. Die Freiheit des Flugs war berauschend.
… neunzehn, zwanzig.
Er zog die Reißleine und spürte einen heftigen Ruck an den Schultern. Obwohl er sich schier die Augen aus dem Kopf schaute, konnte er den Dschungel unter ihm noch immer nicht sehen. Es gab keinen Mond, wenn auch genügend Sterne, die für ein Minimum an Sicht sorgten. Dann sah er ihn: ein Meer von Bäumen, das auf ihn zugeschossen kam. Er stürzte krachend in den Baldachin des Urwalds. Im nächsten Augenblick hatte sich der Fallschirm in den Ästen verfangen. Er spürte etwas an seinen Beinen, aber glücklicherweise keinen Schmerz. Er hatte schon so manchen Kameraden mit gebrochenen Beinen von nächtlichen Fallschirmeinsätzen zurückkommen sehen.
Sekunden später hing er baumelnd im Geäst. Er holte seine Taschenlampe heraus und richtete den Strahl nach unten. Er hatte noch etwa drei, vier Meter bis zum Boden, der mit dichtem Buschwerk überzogen war. Er steckte die Lampe wieder weg und zog das Messer aus der Scheide an seinem Gürtel. Er durchtrennte die Traggurte, die ihn mit der Kappe verbanden, und fiel zu Boden. Beim Aufprall rollte er sich seitwärts ab.
Er blieb einen Augenblick liegen. Die Hände um den Rucksack vor seinem Bauch, lag er auf der Seite. Völlig ungerührt von seiner Ankunft setzte die Tierwelt des Dschungels das vertraute Geschnatter fort. Er checkte in Gedanken seinen Körper durch. Alles war ganz geblieben. Er stand auf und ging seinen Rucksack durch, um zu sehen, ob auch sein Equipment den Sturz heil überstanden hatte. Er nahm das GPS zur Hand und machte es an.
Es tat sich nichts.
Er richtete den Strahl der Taschenlampe darauf. Es hatte einen Sprung. Er warf es in den Rucksack zurück und holte Karte und Kompass heraus. Nachdem er sicher sein konnte, wo er hinmusste, setzte er das Nachtsichtgerät auf. Die ganze Umgebung verwandelte sich augenblicklich in tausend Nuancen von Grün. Er machte sich auf den Marsch durch den Dschungel in Richtung des mit Manuel vereinbarten Treffpunkts.
Eine Stunde später war er ganz in der Nähe. Er duckte sich ins Unterholz.
Vor ihm sah er flackerndes Licht. Stimmengewirr. Bewegung.
Was war da los?
Kapitel 87
Bogotá, Kolumbien
16. April 2011
»Ich kann Sie nicht reinlassen«, sagte der Ordner am Eingang und trat Lucia in den Weg.
»Bitte.« Sie zeigte ihm ihr strahlendstes Lächeln. »Ich sage Ihnen doch, ich habe meine Karte zuhause vergessen.«
»Gehen Sie zur Seite. Sie stehen im Weg.«
Einer nach dem anderen, zog Bogotás feine Gesellschaft an ihr vorbei. In freizügigen Kleidern präsentierte man faltenlose Haut, teure Diamanten und goldene Uhren. Ein blendend weißes Lächeln für die Paparazzi, die sich wie hungrige Hunde gegen die Metallbarriere vor dem Radisson Royal Hotel drängten. Ein ausladendes Transparent über dem Eingang wies den Anlass in riesigen schwarz-goldenen Lettern als Gala des Präsidenten aus.
Lucia holte ein Bündel Banknoten aus ihrer nietnagelneuen schwarzen Handtasche. Der Ordner hob abwehrend die Hände und schüttelte den Kopf.
»Señorita, bitte nicht.«
»Was kann ich machen? Ich
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