Schwarzer Koks (German Edition)
würde Manuel anrufen und sich ein Hotel in der historischen Altstadt suchen, wo es sicherer war. Er musste eine Waffe auftreiben; die seine hatte er in Acton Town in einen Abfallkorb geworfen. Dann fehlte nur noch ein Plan.
Er schlug den Führer zu und bestellte sich einen Kaffee. Die Bedienung streifte ihn etwas zu offensichtlich. Sie war hübsch; sie hatte dunkle Locken und lange Wimpern, aber er war nicht in Stimmung für einen Flirt.
Er leerte seinen Kaffee, bezahlte und suchte sich einen Platz in der Nähe des Gates. Kurze Zeit später ertappte er sich dabei, unbewusst die anderen Reisenden zu mustern auf der Suche nach verdächtigen Blicken, plötzlichen Abweichungen im Gebaren, irgendetwas, was ihm einen Schatten verraten würde. Aber er sah nur die übliche Mischung von Passagieren.
Schließlich verkündete eine Frauenstimme im Lautsprecher über ihm den Beginn des Boardings für den United Airlines-Flug nach Bogotá. Nathan atmete tief durch. Er musste nicht nach Kolumbien. Die Chancen, Amonite tatsächlich aufzuspüren, standen ohnehin nicht allzu gut, und er konnte dabei sehr schnell sterben. Er könnte genauso gut den Flughafen von Newark verlassen und spurlos verschwinden, sich mit seiner falschen Identität ein neues Leben in den Vereinigten Staaten aufbauen.
»Letzter Aufruf für das Boarding nach Bogotá«, sagte die Frauenstimme. »Die Passagiere werden gebeten, sich zum Gate zu begeben.«
Nathan ging ans Ende der Schlange. Er reichte der Groundhostess Pass und Bordkarte. Sie sah ihn kaum an, als sie ihn durchwinkte. Augenblicke später saß er auf einem Fensterplatz im hinteren Teil der Maschine.
Womit es kein Zurück mehr gab.
Kapitel 31
Bogotá, Kolumbien
12. April 2011
Von dem Augenblick an, in dem er sich auf dem El Dorado International Airport durch das Gedränge Namensschilder schwingender Leute schob und aus dem Terminal trat, wusste Nathan sich beobachtet. Er ging zum Taxistand rechter Hand.
Sein Schatten war hochgewachsen, hatte gewelltes schwarzes Haar und trug eine verspiegelte Sonnenbrille. Eine lange gezackte Narbe verunzierte seine rechte Backe. Er hatte einen großen dunklen Fleck auf seinem roten Fußballtrikot. Unter dem Arm trug er einen Motorradhelm, in der anderen Hand hielt er eine Zigarette. Er hatte so etwas an sich, eine ruhige, beiläufige Art, seine Umgebung zu ignorieren. Nathans Sinne standen auf Sturm.
Dann erinnerte er sich. Putumayo. Das zerstörte Dorf. Das Narbengesicht war in dem Hubschrauber gewesen, der Amonite abgeholt hatte.
Mit seiner im Terminal erstandenen Pay-as-you-go-Karte sprang Nathan in den Fond eines gelben Taxis. Er wies den Fahrer an, ihn ins historische Zentrum La Candelaria zu fahren. Irgendetwas schnürte Nathan die Brust zusammen; sein Atem ging flach.
»Ist nur die Höhe, Mister«, sagte der Fahrer, dessen Grinsen im Rückspiegel den Blick auf zwei Reihen gebrochener gelber Zähne freigab. »Wir sind die dritthöchste Hauptstadt der Welt.«
Nathan nickte und sah sich um. Ein schwarzes Motorrad hielt hinter ihm neben dem Narbengesicht, das auf den Sozius sprang und sich an den Fahrer klammerte. Das Motorrad raste in die entgegengesetzte Richtung davon.
»Schon mal in Bogotá gewesen?«, fragte der Fahrer, der geistesabwesend in der Nase bohrte, während er sich im Slalom durch den Verkehr schlängelte.
Nathan wählte Manuels Nummer.
»Sie müssen hinauf nach La Calera und sich den schönen Blick auf Bogotá ansehen«, sagte der Fahrer und wies auf die Berge, die über der weitläufigen Stadt aufragten. »Und dann den botanischen Garten José Celestino Mutis. Auch sehr schön. Und natürlich die Kathedrale.« Ein Motorrad raste an ihnen vorbei. Nathan zuckte. Er schaltete das Handy ab. Er würde Manuel später anrufen.
»Sind Sie aus England?« Der Taxifahrer sah ihn im Spiegel an. »Ich habe einen Cousin in London, in Lambeth. Kennen Sie das?«
Nathan sagte nichts. Er war nicht in Stimmung für eine Plauderei. Er blickte aus dem Fenster. Autos und Mopeds lieferten sich eine erbitterte Schlacht um den Platz auf der vollen Schnellstraße in die Stadt. Wieder raste ein Motorrad vorbei. Der Fahrer hatte eine große weiße Nummer auf dem Rücken.
»Ein gutes Gesetz.« Der Fahrer wies auf den Mann. »Um mit den
sicarios
Schluss zu machen. Sie wissen, was
sicarios
sind?« Das Taxi überholte einen ramponierten Van, der dicke schwarze Abgase in die Luft blies. »
Sicarios
sind Mörder. Sie kommen oft auf Motorrädern und erschießen
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