Schwarzer Koks (German Edition)
etwas möchte ich nicht in Verbindung gebracht werden. So Leid es mir tut, aber ich ziehe meine Unterstützung hiermit zurück.«
Mit einem ärgerlichen Schnauben warf Octavia das Blatt auf den Tisch. Die anderen fünf Mitglieder des Vorstands sahen zu, wie es ein Stück weit durch die Luft segelte, bevor es wie Herbstlaub auf der Tischplatte zu liegen kam.
Keiner sagte ein Wort.
»Nur der Vollständigkeit halber: ihre letzte Spende belief sich auf eine halbe Million Dollar«, schob Octavia schließlich nach. »Und es ist nicht die einzige Mail dieser Art.«
»Ich kenne Vera«, sagte Lucia. »Ich kann ihr das wieder ausreden.«
»Kommt gar nicht in Frage!«
Lucia seufzte. Es hatte keinen Zweck zu streiten. Die »Superwoman von Kolumbiens Medienwelt«, wie die
New York Times
Octavia einmal genannt hatte, war für ihre Sturheit bekannt.
Lucia versuchte es mit Zerknirschtheit. »Tut mir Leid.«
»Es tut Ihnen nicht Leid. Ihnen tut nie was Leid.«
»Diesmal schon.«
»Was ist denn bloß über Sie gekommen?«
»Nichts.«
»Was soll das heißen: nichts?«
»Sie regen sich wegen einiger Kraftausdrücke auf? Wo es doch eigentlich darum geht, dass wir Beweise für ein Bündnis der Front mit der ASI haben?« Lucia nahm ein Blatt Papier aus dem Stapel vor ihr und hielt es in die Runde. »Ich habe hier die Aussage eines Kokabauern namens Manuel Rosa. Sie kam vor zwei Tagen per E-Mail herein. Er behauptet, es gebe da eine neue Droge, die–«
»Es geht hier nicht nur um ein paar Kraftausdrücke«, fiel Octavia ihr ins Wort. »Es geht um ihre Wirkung auf unsere Kampagne.«
»Sie hören mir nicht zu.«
»Ich höre sehr wohl zu. Sie sind diejenige, die nicht zu–«
Lucia schlug mit der Faust auf den Tisch. Max Narding fuhr erschreckt aus dem Schlaf.
»Keiner von Ihnen hört zu.« Lucia starrte die Mitglieder des Verwaltungsrats der Reihe nach an. »Wen interessieren ein paar Scheißkraftausdrücke im Fernsehen? Was spielt denn das für eine Rolle? Wichtig ist die Notwendigkeit einer klaren Argumentation für die Legalisierung von Drogen.«
»Hoppla, Augenblick mal.« Octavia hob die Hand. »Wer hat denn behauptet, dass wir für die Legalisierung eintreten?«
»Nicht offiziell, aber wir wissen doch, dass das die einzige Möglichkeit ist.«
»Ach ja?« Octavia blickte vorsichtig von einem zum anderen in der Runde, bevor sie wieder Lucia ansah. »Wir haben Kolumbianer gegen die Front ins Leben gerufen, um der Front 154 das Handwerk zu legen, nicht um uns für die Legalisierung von Kokain stark zu machen. Wir haben uns an unsere karitativen Ziele zu halten. So will es das Gesetz.«
»Das Gesetz? In Kolumbien? Selbst wenn wir wissen, dass eine Legalisierung die einzige Antwort auf diesen Saustall ist? Schauen Sie sich doch Mexiko an. Über 28000 Menschen sind dort während der letzten vier Jahre dem Drogenkrieg zum Opfer gefallen.«
»Und genau deshalb sollten wir auch nicht für eine Legalisierung eintreten.«
Lucia zog die Stirn in Falten. »Weil ich Recht habe?«
»Alle Welt befürwortet unsere Kritik an der Front: die große böse paramilitärische Gruppe, der wir diesen ganzen Schlamassel verdanken. Das lenkt von der Regierung ab.« Octavia beugte sich vor, die Speckfalten um ihren Bauch schoben sich gegen die Tischkante. »Eine Legalisierung steht auf einem ganz anderen Blatt. Dabei haben alle viel zu viel zu verlieren.«
»Das ist doch kein Grund.«
»Es ist einer, wenn du am Leben bleiben willst.« Das kam von Carlo Justana, dem zweiten Vorsitzenden. Der Bankier im Ruhestand mit dem zurückgehenden Haaransatz saß zu ihrer Linken. Er schob sich die Brille mit dem Silberrand die knubbelige Nase hoch. Er hatte immer hinter Lucia gestanden. Was mischte er sich jetzt ein?
»Was soll denn das heißen?«, fragte Lucia.
»Wir sind nicht alle so furchtlos wie du. Wir haben in diesem Krieg zu viele Freunde und Verwandte verloren.«
»Das habe ich auch.«
»Ich weiß, und es tut uns allen Leid, was passiert ist. Aber du musst uns verstehen.«
Sie verstehen? Sie benahmen sich wie ein Haufen Loser! Hier gab es doch nichts zu verstehen.
Dann kam es ihr.
»Ihr wollt aufgeben?« Lucia warf einen fragenden Blick in die Runde. Selbst Octavia wich ihrem Blick aus. »Ich kann’s nicht glauben. Ihr Schweine! Ihr wollt den Laden dichtmachen!«
»Eine Atempause einlegen, würde ich mal eher sagen.« Das kam von Octavia. »Wir müssen uns erst mal wieder sammeln, sehen, wie es weitergehen soll.«
»Das wäre das
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