Schwarzer Kuss Der Nacht
sich um dich«, vernahm sie einen vertrauten Bariton. Mais Puls beschleunigte sich, wie er es immer tat, wenn Nick erschien.
»Mir geht es gut«, erwiderte sie und schmiegte sich in seine Arme, »solange ich bei dir bin.«
Das erste Mal, als er zu ihr gekommen war, hatte sie geglaubt, er wäre doch aus dem Wunschreich entkommen, was er in gewisser Weise ja auch war. Nick war ein Traumwanderer, und sie beide waren geistverwandt. Genau wie er ihr einst gesagt hatte, würde er immer in ihren Träumen zu ihr finden.
»Du darfst den Rest deines Lebens nicht verschlafen!«, schalt Nick sie sanft, während er sich neben sie legte. Sie liebte es, seine leicht rauhen Hände auf ihrer bloßen Haut zu spüren! Und erst recht genoss sie die köstliche Reibung an den empfindlicheren Stellen ihres Körpers.
»Warum nicht? Wenn ich nur so bei dir sein kann, dann will ich nichts anderes.«
»Du musst dein Leben leben.«
»Mein Leben ist ohne dich sinnlos «, entgegnete Mai wahrheitsgemäß.
Er unterbrach seine Küsse auf ihren Hals. »Womöglich war es ein Fehler, zu dir zu kommen«, stellte er fest, rollte sich auf den Rücken und starrte nach oben. »Ich wollte so dringend bei dir sein, dass es mir egal war, wie. Aber ich glaube, ich kann das nicht machen.«
»Was sagst du da?« Sie drehte sich auf die Seite, um ihn anzusehen.
»Ich liebe dich zu sehr, als dass ich zuschauen will, wie du dein Leben vergeudest.«
»Nick, bitte, tu mir das nicht an!«, flehte sie. Schon einmal hatte sie geglaubt, sie hätte ihn verloren, und es war das Furchtbarste gewesen, was sie je erlebt hatte. Ihn in ihren Träumen zu haben war nicht perfekt, aber wenigstens war er so noch Teil ihres Lebens. Der beste Teil.
»Mai, ich …«
Sie legte einen Finger auf seine Lippen. »Schhh, jetzt wird nicht mehr geredet! Lass mich dir beweisen, wie sehr ich dich liebe!«
Was immer er noch sagen wollte, erstickte sie mit ihrem Kuss. Sie wollte nichts hören, sondern bloß bei ihm sein.
Stundenlang, schien es ihr, küssten und streichelten sie sich. Keiner von ihnen hatte es eilig. Im Grunde ihres Herzens wusste Mai, dass dies wirklich das letzte Mal wäre, dass sie zusammen sein würden, und sie wollte, dass es möglichst lange andauerte. Als er sich auf sie legte und sie nahm, weinte sie: um sich, um Nick und um ihre verlorene Liebe.
Am nächsten Morgen wachte Mai mit der Erinnerung an den Traum auf. Sie öffnete ihre Augen nicht gleich, weil sie am liebsten wieder einschlafen wollte, entschied sich dann jedoch dagegen. Nick hatte recht. Sie musste weiterleben.
Als sie letztlich die Augen aufmachte, saß Lexi neben ihr auf dem Stuhl, hellwach, und beobachtete sie.
»Ich danke dir«, sagte Mai.
»Wofür?«
»Dafür, dass du bei mir bist.« Eine Welle intensivsten Schmerzes und Einsamkeit überrollte sie, und sie musstemehrmals tief durchatmen, ehe sie wieder sprechen konnte. »Ich bin dir für alles dankbar, was du getan hast, das sollst du wissen. Und du sollst auch wissen, dass ich zurechtkommen werde.«
Lexi wirkte wenig überzeugt. »Ja, ich weiß, aber wie wäre es, wenn ich trotzdem noch eine Weile bliebe?«
Mai versuchte, zu lächeln, was schwieriger war, als sie gedacht hätte. »Einen Tag – du kannst noch einen Tag bleiben, dann musst du mit Darius nach Ravenscroft zurück. Ich habe einen Patensohn, der seine Eltern braucht.«
»Wir werden sehen«, räumte Lexi ein. »Möchtest du aufstehen?«
»Nein.« Es war besser, ehrlich zu sein, denn Lexi würde es ohnehin merken, wenn Mai sie belog. »Aber ich tue es.«
Lexi entspannte sich sichtlich. »Es wird leichter.«
Mai nickte, schlug die Decke zurück und setzte sich auf. Einige Minuten blieb sie auf der Bettkante hocken, um Kraft zu schöpfen. Sie hatte sehr lange im Bett gelegen, und ihre Muskeln waren gewiss steif.
Ihre Freundin war aufgestanden, um ihr zu helfen, als sie sich vorsichtig aufrichtete. Mai war anfangs noch etwas wackelig auf den Beinen, aber das gab sich schnell. Ihr Magen knurrte vernehmlich, und in diesem Moment wurde ihr bewusst, wie hungrig sie war.
»Ich schätze, es ist nichts zu essen da, oder?«
Lexi grinste. »Eier und Speck könnte ich dir anbieten.«
»Super! Kann ich vorher schnell duschen?«
»Natürlich«, antwortete Lexi und eilte in die Küche.
Mai nahm sich ein paar frische Sachen mit ins Bad. Es kostete sie einiges an Selbstdisziplin, unter der Dusche an nichts Besonderes zu denken, aber sie schaffte es. Als sie wieder aus der
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