Schwarzer Kuss Der Nacht
Dschinn raste an ihm vorbei und packte Mai bei der Taille. Nick sah, wie er sie so leicht vom Boden hob, als wäre sie eine Puppe – und das, obgleich sie sich heftig wehrte.
»Lass sie los!«, schrie Nick den Dschinn an.
»Oder was?«, höhnte der Dschinn. »Du gibst mir, was ich will?« Eine seiner riesigen Pranken legte sich um Mais Hals. »Ich glaube, das machst du sowieso.«
Er drückte zu, und ohnmächtig sah Nick mit an, wie Mais Gesicht rot wurde und ihre Augen sich vor Angst weiteten.
»Was willst du?«, fragte er, verzweifelt bemüht, Mais Leben zu retten. »Du weißt, dass ich dich nicht hier weglassen kann. Selbst wenn du meinen Körper übernähmst, wärst du in dem Moment tot, in dem du hier herauskommst.« Er nickte zu der Öffnung, wo Darius und Lexi standen – ein tödliches Duo, das nur darauf wartete, zuzuschlagen.
»Nein«, entgegnete der Dschinn resigniert, »ich sehe ein, dass es mir nie vergönnt war, unter Menschen zu leben.«
»Dann lass sie gehen!«
»Noch nicht«, widersprach der Dschinn. »Da ist noch etwas, das ich von dir verlange.«
»Was?«
»Freiheit.«
Nick sah den Dschinn an und begriff. »Du willst, dass ich dich töte?«
Der Dschinn lächelte. »Ja. Du bist der Einzige, der es kann – und ich kann nur so Freiheit erlangen.«
Da Mais Leben auf dem Spiel stand, war Nick ebenso gefangen wie der Dschinn. »Okay«, stimmte er zu, wobei ihm die Folgen seiner Tat durchaus klar waren. »Lass sie los!« Der Dschinn lockerte seinen Griff um Mais Hals und stellte sie wieder auf ihre Füße. Hustend rang sie nach Luft. Aber der Dschinn ließ sie nicht los.
»Mai?«, fragte Nick, der sich sorgte, weil sie so blass war.
Sie hielt eine Hand an ihren Hals und brauchte mehrere Anläufe, ehe sie sprechen konnte. »Ich bin okay.«
»Hör mir zu, Baby! Ich will, dass du zum Portal gehst. Darius und Lexi warten dort, um dir herauszuhelfen. Sie kümmern sich um dich.«
»Du darfst ihn nicht töten!«, flehte Mai. »Das ist eine Falle!«
Nick sah von dem Dschinn zu ihr. »Ich weiß, was ich tue, Mai.«
Der Dschinn grinste. »Eine teuflisch vertrackte Wahl! Du kannst mit mir den Körper tauschen und in alle Ewigkeit hierbleiben. Oder du bringst mich um und bleibst in alle Ewigkeit hier.«
Nick biss die Zähne zusammen. »Lass zuerst Mai gehen!«
»Nein, ich denke nicht«, wies der Dschinn ihn ab. »Sie istmeine – wie sagt ihr so hübsch? –, meine Versicherung, dass du es dir nicht anders überlegst. Ich erkläre dir, was ich tun werde.« Er warf ihm Mai entgegen. »Ich fange an, sie umzubringen. Falls du ihr Leben retten willst, musst du mich töten. Und weil du ein Traumwanderer bist, bist du auch derjenige, den die Dimension als ihr Eigen fordert. Dann ist die Waldnymphe frei und kann gehen.«
Das war eine klassische No-win-Situation. Wie er sich auch entschied, Nick würde nie wieder mit Mai zusammen sein. Ihr Leben zu retten war das mindeste, was er tun konnte. »Es tut mir leid, Liebes.«
Er sammelte die Magie um sich herum, wie sein Vater es ihn gelehrt hatte. Währenddessen sah er, dass Mais Gesicht rot anlief, weil der Dschinn ihr langsam den Hals zudrückte. Sie kämpfte um ihr Leben, aber Nick wusste, dass sie ebenso um seines focht. Er lenkte die Magie durch seinen Körper und schleuderte sie in einem Strahl auf den Teil der Dschinnenbrust, der über Mais Kopf hinausragte. Sie brannte ihm ein Loch in die Brust. Verblüfft glotzte der Dschinn Nick an. Als das Loch sich ausweitete und immer mehr Haut und Fleisch verbrannte, schrie der Dschinn.
Plötzlich hörte das Geschrei auf. Eine Sekunde lang stand der Dschinn wie ein riesiges brennendes Scheit da, bevor seine Konturen verschwammen. Er lächelte – und war fort.
Ein Seufzen wehte ihnen entgegen, als trüge es der Wind herbei, gefolgt von einer widernatürlichen Stille.
Im nächsten Moment lag Mai in Nicks Armen. Er hielt sie fest, umso mehr, als dies das letzte Mal wäre, dass er es tun konnte. »Was hast du getan?«, schluchzte sie. »Was hast du getan?«
»Ich konnte nicht zulassen, dass er dich umbringt.« Nick betete, dass sie ihn verstand. Etwas, das sich wie dürre Fingeranfühlte, berührte seine Seele. Zwar hatte er noch nie etwas Vergleichbares gefühlt, doch ihm war instinktiv klar, dass es die Fänge des Wunschreiches waren, die nach ihm griffen.
»Mai, wir haben wenig Zeit.« Er umfasste ihr Gesicht und küsste sie inbrünstig. Schließlich wich er atemlos zurück. Er wollte ihr sagen, dass er
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