Schwarzer Mittwoch
aber das Gefühl, schrecklich lange zu brauchen, bis er den Gürtel endlich zubekam. Gleichzeitig spürte er, dass Sadie ihn beobachtete wie eine Figur in einer nicht allzu lustigen Farce. Mühsam kämpfte er sich in seine Schuhe, die ihm an diesem Tag zu klein für seine Füße erschienen. Als er schließlich nach seiner Jacke griff und sich wieder zu Sadie umwandte, lag sie noch genauso da wie zuvor.
»Sadie, es tut mir leid, ich …«
»Schon gut.«
Sie drehte sich von ihm weg und zog die Bettdecke so weit hoch, dass nur noch ihr Hinterkopf zu sehen war. Sein Blick fiel auf ihren BH, der am Fußende des Betts lag. Er stellte sich vor, wie sie ihn am Vortag morgens angezogen hatte, ohne zu ahnen, unter welchen Umständen sie ihn abends ausziehen würde. Aus einem plötzlichen Impuls heraus hätte er sich am liebsten aufs Bett gesetzt und Sadie alles erzählt – ihr erklärt, was er empfand und warum das Ganze ein Fehler gewesen war, warum sie beide nicht zusammenpassten und er zu überhaupt niemandem passte. Aber das wäre ihr gegenüber nicht fair gewesen. Er hatte schon genug Unheil angerichtet.
Als er auf die ruhige Straße hinaustrat, war zwar gedämpfter Verkehrslärm zu hören, ansonsten aber umgab ihn hauptsächlich Vogelgesang, blauer Himmel und Morgensonne. Das fühlte sich alles nicht richtig an. Seiner Stimmung nach hätte es ein Regentag sein müssen, grau und kalt.
Frieda saß an ihrem Küchentisch, während Josef Wasser aufsetzte, Kaffee mahlte und die Überreste von Chloës Frühstück abspülte. Das Gute an Josef war unter anderem – denn in ihrer momentanen Misere musste sie sich an alles Positive klammern –, dass sie in seiner Gegenwart keine Konversation zu machen brauchte. Sie konnte einfach dasitzen und vor sich hinstarren. Schließlich reichte er ihr eine Kaffeetasse und gesellte sich mit der seinen zu ihr an den Tisch.
»Helfen ist schwer«, begann er. »Es gibt einen ukrainischen Witz über drei Leute, die einer alten Frau über die Straße helfen. Eine andere Person fragt, warum man dafür drei Leute braucht. Da antworten sie: weil die alte Dame gar nicht über die Straße will.« Er sah Frieda an und trank einen Schluck von seinem Kaffee. »Auf Ukrainisch ist das lustig.«
»Wie ist denn bei uns der Stand der Dinge?«, erkundigte sich Frieda.
»Heute werde ich fertig, und wenn ich mich dafür umbringen muss. Am Abend kannst du ein Bad in deiner schönen neuen Wanne nehmen.«
»Gut.«
»Und Chloë? Bleibt sie hier?«
»Das weiß ich noch nicht«, antwortete Frieda. »Ich muss erst mal in Erfahrung bringen, was da los ist. Wir werden sehen.«
Josef betrachtete Frieda mit besorgter Miene.
»Du bist gar nicht wütend«, stellte er fest. »Du solltest wütend sein.«
»Wie meinst du das?«
Josef machte eine ausladende Handbewegung.
»Ich habe versucht, dir mit der neuen Badewanne etwas Gutes zu tun, aber es ist schwierig zu helfen. Ich habe alles nur noch schlimmer gemacht.«
»Das war nicht deine Schuld …«
»Doch. Erst hat es so lange gedauert, bis die Wanne kam, dann war sie kurz da, dann war sie wieder weg. Und am Ende hattest du nicht mal mehr Strom.«
»Also das war richtig ärgerlich.«
»Du brauchst Hilfe, und ich mache alles noch schlimmer, und jetzt ist auch noch Chloë da. Ich habe gesehen, wie es oben zugeht. Dein ganzes Arbeitszimmer ist voll von ihrem Zeug.«
»Wirklich? O Gott, ich war noch gar nicht oben. Ist es schlimm?«
»Ja, sehr schlimm. Über alle deine Dinge sind ihre Sachen und Klamotten verteilt. Und Kerngehäuse von Äpfeln. Nasse Handtücher. Tassen, in denen bald was wachsen wird. Aber wie ich gerade gesagt habe: Du solltest wütend sein. Du solltest dich wehren.«
»Ich bin nicht wütend, Josef. Oder vielleicht bin ich zu müde, um wütend zu sein.« Sie verfiel wieder einen Moment in Schweigen. »Aber das Bad sollte bis heute Abend wirklich fertig sein, sonst …«
Ein Klingelton ließ sie verstummen. Es dauerte einen Augenblick, bis Frieda begriff, dass es sich um ihr eigenes Handy handelte. Das Geräusch kam aus ihrer Jacke, die über einem Stuhl hing. Hektisch suchte sie in allen Taschen, bis sie schließlich fündig wurde und ranging. Eine Frauenstimme meldete sich.
»Spreche ich mit Frieda Klein?«
»Ja.«
»Hier ist Agnes Flint.«
Sobald Jim Fearby das Foto sah, war ihm klar, dass er sie von seiner Liste streichen konnte. Clare Boyle war ein Mädchen mit rundem Gesicht und zotteligem blondem Haar – oder war es zumindest mal
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