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Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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wann?«
    »Erst seit gut drei Wochen.«
    Doherty schwieg einen Moment. Er beendete sein Werk, indem er eine letzte Drahtbefestigung am Zaun fixierte. Dann blickte er hoch.
    »Ich habe sie schon seit Monaten nicht mehr gesehen. Vielleicht sogar noch länger. Ich war weg.«
    »Sie waren weg.«
    »Genau.«
    »Wo?«
    »Im Gefängnis, nur für ein paar Wochen. Man hat mir da ganz übel was angehängt. Im Januar bin ich rein, und letzte Woche haben sie mich wieder rausgelassen – und mir sogar noch diesen Job verschafft: Scheiße schaufeln für gottverdammte Esel.«
    »Haben Sie Sharon gesehen, seit Sie wieder draußen sind?«
    »Nein, warum sollte ich? Sie ist nicht meine Freundin oder so was in der Art, falls Sie darauf hinauswollen. Nur ein nerviges kleines Mädchen.«
    »Ein nerviges kleines Mädchen, das in schlechte Gesellschaft geraten ist, Mister Doherty.«
    Fearby richtete seinen stechenden Blick auf den Mann. »Die Eltern des Mädchens machen sich große Sorgen um sie.«
    »Das ist nicht mein Problem. Sie sprechen mit dem Falschen.«
    Frieda kam ein Gedanke.
    »Nennen die Leute Sie zufällig Shane?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Rötliches Haar, irischer Name.«
    »Ich komme aus Chelmsford.«
    »Aber man nennt Sie Shane.«
    Doherty bedachte sie mit einem kleinen, sarkastischen Lächeln.
    »Manchmal, ja. Sie wissen schon. Begorrah.«
    »Erzählen Sie mir von Lila Dawes.«
    »Was?«
    »Sie kannten ein Mädchen namens Lila Dawes. Sie ist ebenfalls verschwunden.« Frieda spürte, wie Fearby neben ihr erstarrte, als hätte ihn ein Stromschlag getroffen.
    »Zwei vermisste Mädchen«, stellte er leise fest, »und Sie kannten sie beide.«
    »Wer behauptet, dass ich diese Lila kenne?«
    »Lila war cracksüchtig«, entgegnete Frieda, »und bevor sie verschwand, hing sie eine Weile mit Ihnen herum, Shane … Mister Doherty. Das ist inzwischen etwa zwei Jahre her.«
    »Sie sagen, Sie sind nicht von der Polizei, also brauche ich Ihnen gar nichts zu erklären. Außer …« Er legte den Draht zur Seite. Frieda sah den Speichel an seinen Lippen und die geplatzten Äderchen in seinem Gesicht. Er ballte die Fäuste und lockerte sie dann wieder, so dass Leben in die Tätowierungen an seinem Arm kam. Sein Blick wanderte um Frieda herum, als versuchte er etwas zu sehen, das sich hinter ihrem Rücken befand. »Außer dass Sie sich wieder dahin verpissen sollen, wo Sie hergekommen sind.«
    »Hazel Barton, Roxanne Ingatestone, Daisy Crew, Philippa Lewis, Maria Horsely, Lila Dawes, Sharon Gibbs.«
    Es klang wie ein Singsang, eine Beschwörung. Frieda hatte das Gefühl, als wiche die ganze Luft aus ihrem Körper. Sie stand völlig reglos da und gab keinen Laut von sich. Einen Moment kam es ihr vor, als wäre sie in einen dunklen Tunnel eingetaucht, der zu einem noch dunkleren Ort führte.
    »Wovon, zum Teufel, sprechen Sie, alter Mann?«
    »Von vermissten Mädchen«, antwortete Fearby. »Ich spreche von vermissten Mädchen.«
    »Also gut, ich kannte Lila.« Er verzog das Gesicht. »Aber ich habe keine Ahnung, was aus ihr geworden ist.«
    »Ich glaube, Sie haben sehr wohl eine Ahnung«, entgegnete Frieda, »und falls dem tatsächlich so ist, sollten Sie mir das sagen, denn ich finde es sowieso heraus.«
    »Die Leute kommen und gehen. Mit ihr hatte man immer mehr Scherereien als Spaß.«
    »Sie war doch noch ein Teenager und hatte bloß das Pech, an Sie zu geraten.«
    »Mir blutet das Herz. Und ja, ich kannte Sharon ein wenig. Die anderen nicht.«
    »Waren Sie das erste Mal im Gefängnis?«, fragte Fearby.
    »Ich glaube, mir reicht es jetzt von Ihren Fragen.«
    »Daten, Mister Doherty.«
    Irgendetwas in Fearbys Stimme ließ den Gesichtsausdruck des Mannes einen Moment entgleisen. An die Stelle seines höhnischen Grinsens trat ein eher argwöhnischer Ausdruck.
    »Vor achtzehn Monaten war ich in Maidstone.«
    »Weswegen?«
    »Wegen so einer blöden Sache mit einem Mädchen.«
    »Einer blöden Sache.« Fearby wiederholte die Worte, als könnte er sie in seinem Mund schmecken. »Wie viel haben Sie bekommen?«
    Doherty zuckte lediglich mit den Achseln.
    »Wie lange?«
    »Vier Monate, mehr oder weniger.«
    Frieda sah Fearby an, dass er irgendwelche Berechnungen anstellte. Seine Miene wirkte plötzlich hochkonzentriert, und auf seiner Stirn bildete sich eine tiefe Falte.
    »Gut«, sagte er schließlich, »das war’s.«
    Fearby und Frieda gingen zurück über das Feld. Die Pferde folgten ihnen. Für Frieda klang ihr Hufschlag wie eine

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