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Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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putzte sich mit dem Handrücken die Nase.
    »Ja?«
    »Ich suche einen Mann namens Shane.«
    Das Mädchen zuckte nur mit den Achseln.
    »Angeblich soll er hier arbeiten.«
    Das Mädchen schüttelte den Kopf.
    »Nein.«
    »Vielleicht hat er mal hier gearbeitet.«
    »Ich kenne keinen Shane.«
    »Wie lange bist du schon hier?«
    »Ein paar Jahre. Mit Unterbrechungen.«
    »Und du kennst jeden, der hier arbeitet?«
    Das Mädchen verdrehte die Augen.
    »Klar«, antwortete sie und verschwand wieder im Stall. Frieda hörte die Schaufel über den Betonboden scharren. Während sie den Rückweg antrat, warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr und überlegte, was sie jetzt tun solle. Sie rief sich das Gespräch in dem Pub ins Gedächtnis. Hatte sie da etwas missverstanden? Oder hatte man ihr einfach einen Bären aufgebunden, um sie wieder loszuwerden? Inzwischen stand sie wieder draußen an der Straße. Zögernd lief sie am Straßenrand entlang. Da es dort keinen Gehsteig, sondern nur einen Grasstreifen gab, fühlte sie sich den vorbeibrausenden Autos schutzlos ausgeliefert. Sie spürte ihren Fahrtwind und empfand plötzlich auch den Motorenlärm als beängstigend. Als sie die Gebäude hinter sich gelassen hatte, erreichte sie einen groben Holzzaun, der das angrenzende Feld von der Straße trennte. Frieda lehnte sich an den Zaun und ließ den Blick schweifen. Das Feld war groß, vielleicht einen halben Kilometer breit, und wurde auf der anderen Seite von der viel befahrenen A12 begrenzt, wo auch an diesem Tag jede Menge Autos und Lastwagen unterwegs waren. Das Feld selbst sah aus, als läge es schon seit Längerem brach. Zwischen Gras und niederem Gestrüpp wuchsen hier und da ein paar Stechginsterbüsche, und ziemlich in der Mitte der Fläche erhob sich eine große, abgestorbene Eiche. Verstreut über das ganze Feld grasten etliche Pferde und ein paar Esel. Die Tiere wirkten alt und räudig, aber dennoch recht zufrieden. Während Frieda verfolgte, wie sie mit gesenkten Köpfen an den Grashalmen herumzupften, stellte sie fest, dass allein schon ihr Anblick etwas Entspannendes hatte. Was ihnen hier geboten wurde, war vielleicht nicht viel, aber wohl immer noch besser als anderswo. Es war eine seltsame Umgebung, weder Stadt noch Land, sondern irgendetwas Undefinierbares dazwischen. Das Gelände wirkte vernachlässigt und halb vergessen. Möglicherweise hatten darauf einmal Gebäude gestanden, die irgendwann abgerissen worden waren, so dass sich mit der Zeit wieder Gras und Ginster ausgebreitet hatten. Eines Tages würde jemand von Neuem auf dieses Feld aufmerksam werden, das direkt neben der Autobahn und noch in Stadtnähe lag, und man würde eine Industrieanlage oder eine Raststätte darauf bauen, aber bis dahin ließ es sich nicht unterkriegen. Frieda gefiel das irgendwie.
    Sie wühlte in ihrer Jackentasche herum und fand die Karte des Taxifahrers. Vermutlich war es an der Zeit aufzugeben und nach London zurückzukehren, in ihr normales Leben und zu ihrer Arbeit. Sie wollte gerade nach dem Telefon greifen, als vor dem Eingang des Gnadenhofs ein Auto hielt. Ein Mann stieg aus und schaute sich um. Er war groß und hatte eine leicht gebeugte Haltung, wirres, fast weißes Haar und eine Hakennase. Er trug eine dunkle Hose, eine verknitterte Jacke und eine schmale dunkle Krawatte, deren Knoten er gelockert hatte, so dass sie lässig um seinen Hemdkragen hing. Sein Gesichtsausdruck wirkte ernst, und als er sich umwandte, sah sie, dass er helle Augen und leicht hängende Lider hatte. Sein stechender Blick begegnete dem ihren, und sie musterten einander einen Moment lang eindringlich. Die Entfernung zwischen ihnen betrug gut dreißig Meter. Das war zu weit für einen Wortwechsel in normaler Lautstärke. Frieda, die immer noch am Zaun lehnte, setzte sich in Bewegung, während er seinerseits ebenfalls ein Stück auf sie zuging. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich dabei nicht. Frieda schien es, als sähe er sie nicht an, sondern durch sie hindurch.
    »Arbeiten Sie hier?«, sprach der Mann sie an.
    »Nein, ich war nur auf der Suche nach jemandem, aber er ist nicht hier.« Ihr kam ein Gedanke. »Sie heißen nicht zufällig Shane, oder?«
    »Nein«, antwortete der Mann, »der bin ich nicht.« Er wandte sich von Frieda ab und steuerte auf den Hof zu, aber nach ein paar Schritten blieb er abrupt stehen und drehte sich um. »Wieso suchen Sie ihn?«
    »Das ist schwer zu erklären.«
    Der Mann kehrte zu ihr zurück.
    »Verraten Sie es mir

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