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Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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geraten zu sein, in der sie einfach nicht die richtigen Worte fand. Sollte sie versuchen, Fearby klarzumachen, dass alles, wofür er sein Leben geopfert hatte, nur eine Illusion war? Glaubte sie das denn wirklich?
    »Sie haben schon so viel getan«, sagte sie. »Sie haben George Conley aus dem Gefängnis geholt. Das reicht doch.«
    Fearbys Miene wurde hart.
    »Ich muss die Wahrheit herausfinden. Für mich zählt nichts anderes.« Er bemerkte Friedas Blick und lächelte verlegen. »Betrachten Sie es einfach als mein Hobby. Ich mache das, statt mich um einen Schrebergarten zu kümmern oder Golf zu spielen.«
    Als Fearby aufstand, kam Frieda sich plötzlich vor wie eine Reisebekanntschaft, mit der er im Zug gesessen und ein Gespräch begonnen hatte, und nun, da sie die Endstation erreicht hatten, würden sie sich verabschieden und niemals wiedersehen. An der Tür gaben sie sich die Hand.
    »Ich lasse Sie wissen, wie es vorangeht«, sagte er, »auch wenn Sie das vielleicht gar nicht wollen.«
    Nachdem Fearby weg war, blieb Frieda ein paar Minuten an die Tür gelehnt stehen. Ihr war, als müsste sie erst wieder Atem schöpfen, bekäme aber keine Luft, weil ihre Lungen nicht richtig funktionierten. Sie zwang sich zu bewussten, tiefen Atemzügen.
    Schließlich machte sie sich auf den Weg nach oben in ihr Badezimmer. Sie hatte so lange auf den richtigen Zeitpunkt gewartet. Aber im Leben gibt es nie den richtigen Zeitpunkt, ging ihr durch den Kopf, es bleibt immer irgendetwas zu tun. Sie dachte an Josef, ihren chaotischen und hilfsbereiten Freund, und an die ganze Arbeit, die er in dieses Bad gesteckt hatte. Es war sein Geschenk für sie gewesen, ein Akt der Freundschaft. Obwohl sie so gute Freunde hatte, war es ihr nicht in den Sinn gekommen, sich Hilfe suchend an sie zu wenden, nicht einmal an Sandy. Sie konnte zuhören, aber selbst nicht über ihre Probleme sprechen – sie konnte anderen helfen, aber nicht um Hilfe bitten. Es war schon seltsam, dass sie sich in den letzten Tagen diesem schrägen Vogel Fearby näher gefühlt hatte – trotz seines heruntergekommenen Hauses, seiner riesigen Aktenberge und seines ruinierten Lebens – als irgendjemand anderem.
    Unten klingelte es an der Tür. Einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, einfach nicht aufzumachen, doch dann wandte sie sich mit einem Seufzen von ihrer Badewanne ab und ging hinunter an die Haustür.
    »Eine Sendung für Sie«, sagte der Mann, der hinter einer riesigen Schachtel kaum zu sehen war. »Frieda Klein?«
    »Ja.«
    »Bitte unterschreiben Sie hier.«
    Frieda tat wie ihr geheißen und trug die Schachtel ins Wohnzimmer. Als sie den Deckel abnahm, schlug ihr ein Duft entgegen, dessen schwere Süße sie an Leichenhallen und Hotellobbys erinnerte. Vorsichtig nahm sie einen riesigen Strauß Lilien heraus, um deren Stiele eine violette Schleife gebunden war. Frieda hasste Lilien: Sie waren ihr zu üppig, und außerdem hatte sie das Gefühl, dass sich ihre Atemwege sofort verschlossen, sobald sie den schweren Duft einatmete. Wer hatte sie ihr bloß geschickt?
    Zwischen den Blüten entdeckte sie einen Umschlag in Miniaturgröße. Sie öffnete ihn und fischte die Karte heraus.
    Wir konnten ihm das doch nicht durchgehen lassen.
    Die Welt verengte sich, und die Luft rund um Frieda wurde schlagartig kälter.
    Sie spürte plötzlich Galle in ihrer Kehle und kalten Schweiß auf der Stirn. Sie musste sich mit einer Hand abstützen. Erneut zwang sie sich, tief durchzuatmen. Nun war ihr klar, wer ihr diese Lilien geschickt hatte: Dean Reeve. Er hatte ihr schon einmal Blumen geschenkt, einen Strauß Narzissen, mit der Nachricht, dass ihre Zeit noch nicht gekommen sei, und nun hatte er ihr diese fleischigen Lilien überbringen lassen. Er war derjenige, der Hal Bradshaws Haus in Brand gesteckt hatte. Für sie. Frieda presste eine Hand fest auf ihr wild schlagendes Herz. Was konnte sie tun? An wen konnte sie sich wenden, und wer wäre in der Lage, ihr zu helfen? Sie hatte das ungute Gefühl, dass sie unbedingt etwas unternehmen oder zumindest mit jemandem sprechen musste. Das war doch ihr persönliches Credo, oder nicht? Mit Menschen zu sprechen. Aber mit wem? Früher wäre automatisch Reuben ihr Ansprechpartner gewesen, doch ihre Beziehung war nicht mehr so wie früher. An Sandy konnte sie sich nicht wenden, weil er in Amerika weilte und sich das alles am Telefon nicht in Worte fassen ließ. Was war mit Sasha? Oder Josef? Wozu hatte man denn Freunde? Nein, das würde nicht

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