Schwarzer Mittwoch
hinzugefügt, sie solle zurückrufen, falls es ihr zeitlich nicht passe. Vielleicht hatte er sich ja einfach verspätet oder steckte irgendwo im Stau. Oder er hatte es sich anders überlegt. Womöglich hatte er spontan einen Schlussstrich unter die ganze Sache gezogen und war nach Hause gefahren. Oder er verzichtete auf den Besuch bei ihr, weil er ihre Skepsis gespürt hatte. Sie rief ihn noch einmal an. Nichts. Wie es aussah, kam er einfach nicht.
Schließlich wurde es ihr zu dumm, auf Fearby zu warten. Sie füllte etwas Futter in die Schüssel ihres Katers und machte sich dann auf den Weg zur Nummer 9, um sich dort einen Kaffee zu gönnen. Als sie zurückkam, sah sie jemanden auf sich zugehen. Irgendwie kam ihr der etwas schwerfällige, aber zielstrebige Gang bekannt vor.
»Yvette?«, fragte sie, als sie nur noch ein paar Meter voneinander entfernt waren. »Was treibt Sie her?«
»Ich muss mit Ihnen sprechen.«
»Was ist passiert?«
»Können wir reingehen?«
Frieda führte Yvette ins Haus. Yvette zog ihre Jacke aus und setzte sich. Sie trug eine schwarze Jeans mit einem Loch am Knie und dazu ein Herrenhemd, das auch schon bessere Tage gesehen hatte. Offensichtlich befand sie sich nicht im Dienst.
»Nun sagen Sie schon, was gibt’s? Hat es etwas mit den Lennox’ zu tun?«
»Nein. Ich gönne mir gerade eine Pause von diesem ganzen gottverdammten Zirkus. Sie können sich nicht vorstellen … egal. Deswegen bin ich nicht hier.«
»Weswegen dann?«
»Ich musste es Ihnen einfach persönlich sagen: Ich bin auf Ihrer Seite.«
»Wie bitte?«
»Ich bin auf Ihrer Seite«, wiederholte Yvette, offenbar den Tränen nahe.
»Danke. Aber im Kampf gegen wen?«
»Gegen sie alle – den Polizeipräsidenten und diesen Wichser Hal Bradshaw.«
»Ach, das meinen Sie.«
»Ich wollte, dass Sie das wissen. Mir ist klar, dass Sie mit der Sache nichts zu tun haben, aber selbst wenn – nun ja, dann wäre ich trotzdem auf Ihrer Seite.«
Frieda starrte sie an.
»Sie halten es also für möglich, dass ich es war«, stellte sie schließlich fest.
Yvette wurde rot.
»Nein! So habe ich das ganz und gar nicht gemeint. Wobei es ja kein Geheimnis ist, dass Sie und Doktor McGill wütend auf ihn waren. Dazu hatten Sie auch allen Grund. Er wollte Ihnen eins auswischen. Er war einfach eifersüchtig.«
»Ich schwöre Ihnen«, erwiderte Frieda in sanftem Ton, »dass ich mich nicht einmal in der Nähe von Hal Bradshaws Haus befand.«
»Natürlich nicht.«
»Brandstiftung ist etwas ganz Scheußliches. Ich bin mir absolut sicher, dass auch Reuben so etwas nie im Leben täte, egal, wie wütend er wäre.«
»Bradshaw hat sich noch einmal ziemlich böse zu der Sache geäußert.«
»Was hat er denn gesagt?«
»Sie wissen ja, wie er ist, Frieda. Er macht gern Andeutungen.«
»Los, raus damit!«
»Er hat gesagt, er habe gefährliche Feinde, auch wenn die sich selbst nicht die Hände schmutzig machten.«
»Und damit hat er mich gemeint?«
»Ja. Aber angeblich hat er auch mächtige Freunde.«
»Schön für ihn«, meinte Frieda. Sie fühlte sich auf einmal unsäglich müde.
»Macht Ihnen das denn nichts aus?«
»Nicht viel« antwortete Frieda. »Aber mich würde interessieren, wieso es Ihnen so zu schaffen macht.«
»Sie meinen, warum ich mir Ihretwegen Sorgen mache?«
Frieda musterte Yvette eindringlich.
»Mein Wohl lag Ihnen nicht immer so am Herzen.«
Yvette hielt ihrem Blick stand.
»Ich träume oft von Ihnen«, erklärte sie leise, »aber nicht so, wie es wahrscheinlich zu erwarten wäre. Ich träume nicht, dass Sie fast ums Leben kommen oder so was in der Art. Nein, es sind viel seltsamere Träume. Einmal saßen wir beispielsweise nebeneinander in der Schule – obwohl wir unser jetziges Alter hatten –, und ich versuchte, besonders schön zu schreiben, um Sie zu beeindrucken, verschmierte dabei aber ständig die Tinte und schaffte es einfach nicht, die Buchstaben richtig hinzubekommen. Sie wurden krumm und kindlich und rutschten dauernd von der Zeile, während die Ihren perfekt und ordentlich aussahen. Keine Sorge, ich bitte Sie jetzt nicht, meine Träume zu deuten. Ich bin nicht so blöd, dass ich das nicht selber kann. In einem anderen Traum waren wir zusammen in Urlaub – an einem See, umgeben von lauter Bergen, die aussahen wie Schornsteine. Ich war total nervös, weil wir ins Wasser wollten, ich aber nicht schwimmen konnte. Ehrlich gesagt kann ich tatsächlich nicht besonders gut schwimmen. Ich mag es überhaupt
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