Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
Vom Netzwerk:
nicht, wenn mein Kopf unter Wasser gerät. Aber das konnte ich Ihnen nicht sagen, weil ich dachte, Sie würden mich auslachen. Lieber wäre ich ertrunken, als mich vor Ihnen zum Narren zu machen.«
    Frieda wollte etwas antworten, aber Yvette hielt sie mit einer Handbewegung zurück. Sie hatte inzwischen tiefrote Wangen.
    »Ich fühle mich in Ihrer Gegenwart immer völlig gehemmt«, fuhr sie fort. »Mir ist, als könnten Sie in mich hineinblicken und all die Dinge sehen, von denen ich nicht will, dass jemand sie sieht. Sie wissen, dass ich einsam bin, und Sie wissen auch, dass ich eifersüchtig bin. Dass meine Beziehungen immer in die Hosen gehen, wissen Sie ebenfalls, ganz zu schweigen von …« Plötzlich leuchteten ihre Wangen noch intensiver. »Nun ja, Sie wissen sogar, dass ich wie ein Schulmädchen in meinen Chef verknallt bin. Kürzlich habe ich mir mal einen kleinen Schwips angetrunken und mich dabei die ganze Zeit gefragt, was Sie wohl von mir denken würden, wenn Sie sehen könnten, wie ich durch die Gegend torkle.«
    »Aber, Yvette, …«
    »Tatsache ist, dass Sie durch meine Schuld fast getötet worden wären, und wenn ich nicht gerade träume, dann liege ich wach und frage mich, ob nicht vielleicht irgendein erbärmliches Gefühl von Wut der Grund war, warum ich damals nicht besser reagiert habe. Können Sie sich vorstellen, wie sehr ich mich deswegen schäme?«
    »Sie wollen es also wiedergutmachen?«, fragte Frieda leise.
    »Ich schätze, so könnte man es ausdrücken.«
    »Danke. Und lassen Sie uns doch endlich du sagen.«
    Frieda streckte ihr die Hand hin, und Yvette ergriff sie. Einen Moment lang saßen sich die beiden Frauen am Tisch gegenüber, hielten einander an der Hand und sahen sich in in die Augen.

56
    F rieda träumte von Sandy. Er lächelte sie an und hielt ihr die Hand hin, doch dann stellte Frieda in ihrem Traum plötzlich fest, dass es gar nicht Sandy war, sondern Deans Gesicht – Deans angedeutetes Lächeln. Sie fuhr mit einem Ruck hoch und brauchte mehrere Minuten, bis sie sich einigermaßen gefangen hatte und ihre Panik sich langsam wieder legte. Sie zwang sich, tief und gleichmäßig zu atmen.
    Schließlich stand sie auf, duschte und ging hinunter in die Küche, wo Chloë bereits am Tisch saß. Sie hatte sich eine Tasse Tee zubereitet, diese aber noch gar nicht angerührt. Vor ihr auf dem Tisch lag eine Art großes Album. Chloë selbst machte einen mitgenommenen Eindruck. Sie war noch nicht gekämmt, hatte dafür aber die Wimperntusche vom Vortag übers ganze Gesicht verschmiert und sah aus, als hätte sie mehrere Nächte hintereinander nicht geschlafen. Auf Frieda wirkte sie in dem Moment wie ein verwahrlostes Kind: Im Leben ihrer Mutter herrschte gerade ein solches Chaos, dass sie nur selten einen Gedanken an ihre Tochter verschwendete, und nun hatte man dem armen Mädchen auch noch seine Freunde genommen – und ihre Tante hatte sie ausgerechnet dann allein gelassen, als sie ihre Hilfe am dringendsten benötigte. Nun hob Chloë ihr tränennasses Gesicht und starrte sie benommen an.
    Frieda nahm ihr gegenüber Platz.
    »Ist mit dir alles in Ordnung?«
    »Ja, ich denke schon.«
    »Soll ich dir Frühstück machen?«
    »Nein, ich habe keinen Hunger. O Gott, Frieda, ich muss dauernd an das alles denken.«
    »Das ist doch klar.«
    »Ich wollte dich nicht wecken.«
    »Wie fühlst du dich?«
    »Wenn ich im Bett liege und nicht schlafen kann, frage ich mich die ganze Zeit, wie es ihnen wohl gehen mag. Sie haben alles verloren – ihre Mutter, ihren Vater und irgendwie auch ihre schönen Erinnerungen an die Vergangenheit. Wie sollen sie da je wieder ein halbwegs normales Leben führen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wie geht es denn dir?«
    »Ich habe auch nicht so gut geschlafen. Mir schwirren genau wie dir alle möglichen Gedanken im Kopf herum.«
    Während Frieda den Wasserkocher füllte, betrachtete sie ihre Nichte, die mittlerweile den Kopf auf eine Hand gestützt hatte und verträumt auf die Seiten des Albums starrte, das sie vor sich liegen hatte.
    »Was ist das?«, fragte Frieda.
    »Ted hat seine Kunstmappe vergessen. Ich bring sie ihm heute mit, aber vorher wollte ich sie mir ansehen. Er ist in Kunst unglaublich gut. Ich wünschte, ich hätte ein Zehntel oder auch nur ein Hundertstel seiner Begabung. Ich wünschte …« Sie unterbrach sich und biss sich auf die Lippe.
    »Chloë, du machst gerade eine schlimme Zeit durch.«
    »Keine Sorge«, gab Chloë barsch zurück, »ich weiß,

Weitere Kostenlose Bücher