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Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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dass ich für ihn nur eine ganz normale Freundin bin. Eine Schulter zum Ausweinen. Was nicht heißen soll, dass er tatsächlich an meiner Schulter weint.«
    »Wahrscheinlich«, erwiderte Frieda in sanftem Ton, »sind deine eigenen Gefühle für ihn auch ziemlich kompliziert – nicht zuletzt aufgrund dessen, was er alles durchgemacht hat.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Dass ein junger Mann, der solche Tragödien erlebt, dadurch eine Aura bekommt, die etwas sehr Faszinierendes haben kann.
    »Du meinst, ich bin so was wie eine Katastrophentouristin?«
    »Na ja, nicht direkt.«
    »Das ist jetzt sowieso alles vorbei.« Chloës Augen füllten sich mit Tränen, und sie blickte wieder auf die vor ihr liegende Mappe hinunter.
    Frieda beugte sich über Chloës Schulter, während diese die großen Seiten umblätterte. Auf einen wunderbar exakt gezeichneten Apfel folgte ein Selbstporträt, verzerrt durch einen konvexen Spiegel, dann ein penibel naturgetreu gezeichneter Baum.
    »Er ist wirklich gut«, bemerkte sie.
    »Warte«, sagte Chloë, »es gibt da ein besonderes Bild, das ich dir zeigen möchte.« Sie blätterte weiter, bis sie fast am Ende angekommen war. »Sieh dir das an.«
    »Was ist das Besondere daran?«
    »Schau dir Datum und Uhrzeit an. Mittwoch, 6. April, 9.30 Uhr. Das ist das Stillleben, das er in seiner Kunstprüfung zeichnen musste. An dem Tag, als seine Mutter ermordet wurde. Mir kommen jedes Mal fast die Tränen, wenn ich es betrachte und daran denke, was später an diesem Tag passiert ist.«
    »Es ist schön«, sagte Frieda. Dann runzelte sie plötzlich die Stirn und legte den Kopf ein wenig schief. Hinter sich hörte sie den Wasserkocher klicken. Aber darum konnte sie sich jetzt nicht kümmern.
    »Das kann man wohl sagen«, meinte Chloë, »es ist …«
    »Warte einen Moment«, fiel Frieda ihr ins Wort. »Beschreibe es mir. Beschreibe mir, was du darauf siehst.«
    »Warum?«
    »Tu mir einfach den Gefallen.«
    »Also gut. Ich sehe eine Armbanduhr, einen Schlüsselbund, ein Buch, so eine Art Elektrostecker und außerdem …«
    »Ja?«
    »Da lehnt noch irgendetwas an dem Buch.«
    »Was ist das?«
    »Keine Ahnung.«
    »Beschreibe es.«
    »Es ist mehr oder weniger gerade und irgendwie gezackt. Für mich sieht es aus wie ein Lineal aus Metall, aber mit einem gezackten Rand.«
    Frieda schwieg einen Moment und überlegte dabei so krampfhaft, dass ihr davon fast der Kopf schmerzte.
    »Ist es wirklich so eine Art Lineal«, sagte sie schließlich, »oder sieht es nur so aus?«
    »Wie meinst du das?«, fragte Chloë. »Was macht das für einen Unterschied? Es ist doch nur eine Zeichnung.«
    Sie knallte die Mappe zu.
    »Ich muss sie mit in die Schule nehmen«, erklärte sie, »damit ich sie Ted zurückgeben kann.«
    »Wer weiß, ob er überhaupt schon wieder zur Schule geht«, entgegnete Frieda. »Vielleicht lassen die drei sich damit noch ein bisschen Zeit. Außerdem brauche ich diese Mappe heute. Ich muss sie jemandem zeigen.«
    Karlsson stand vor ihr, wich jedoch ihrem Blick aus.
    »Mit dir habe ich nicht gerechnet«, sagte er schließlich.
    »Ich weiß. Es dauert nicht lang.«
    »Du hast es anscheinend noch immer nicht begriffen, Frieda. Du solltest nicht mehr herkommen. Der Polizeipräsident will dich hier nicht sehen. Und die Sache mit Hal Bradshaw machst du auch nicht besser, wenn du plötzlich ständig im Präsidium auftauchst. Er hält dich ohnehin schon für eine Brandstifterin und Stalkerin.«
    »Ich weiß. Es ist das letzte Mal«, antwortete Frieda in ruhigem Ton. »Ich möchte die Mordwaffe sehen.«
    »Weil ich dir einen Gefallen schulde? Den hast du schon eingefordert, Frieda. Deswegen stecke ich jetzt in großen Schwierigkeiten. Die Einzelheiten erspare ich dir lieber.«
    »Das tut mir wirklich sehr leid«, entgegnete Frieda, »aber ich muss sie trotzdem sehen. Danach lasse ich dich endgültig in Ruhe.«
    Er starrte sie einen Moment an. Dann zuckte er mit den Schultern und führte sie wortlos die Treppe zu einem Kellerraum hinunter, wo er eine Metallschublade öffnete.
    »Das ist das Ding, das du sehen willst«, erklärte er. »Hinterlasse ja keine Fingerabdrücke darauf, und zieh die Tür hinter dir zu, wenn du fertig bist.«
    »Danke.«
    »Übrigens, Elaine Kerrigan hat den Mord an Ruth Lennox gestanden?«
    »Was?«
    »Keine Sorge, ich glaube, Russell Lennox wird in Kürze ebenfalls gestehen, den Mord begangen zu haben. Genau wie die Kerrigan-Söhne. Das Präsidium wird überfüllt sein mit

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