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Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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war. Wenn Sie erst mal draußen sind, wollen Sie vielleicht Ihre Geschichte erzählen. Viele Leute würden bestimmt gerne erfahren, was Sie alles durchgemacht haben. Schließlich handelt es sich um eine Geschichte nach dem schönen altmodischen Schema ›Tragödie und Triumph‹. Ich kenne mich mit diesen Dingen aus und würde Ihnen raten, Ihre Version selbst zu verfassen, denn sonst werden es andere für Sie tun. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen dabei helfen. Ich habe von Anfang an Ihren Standpunkt vertreten, als Ihnen sonst noch keiner glauben wollte. Ich bin Ihr Freund, George. Falls Sie Hilfe brauchen, um Ihre Geschichte unter die Leute zu bringen, stehe ich Ihnen dafür gern zur Verfügung.« Fearby wartete erneut auf eine Reaktion, die jedoch ausblieb. »Haben Sie im Moment alles, was Sie brauchen, oder soll ich Ihnen irgendetwas besorgen?«
    Conley zuckte nur mit den Achseln, woraufhin Fearby sich verabschiedete und versprach, mit ihm in Verbindung zu bleiben. Früher wäre er im Anschluss an einen solchen Besuch auf jeden Fall noch nach Hause gefahren, egal, wie spät es war, aber seit seine Frau ihn verlassen hatte und die Kinder auch nicht mehr da waren, ließ er sich Zeit. Die Leute rissen immer Witze über Autobahnraststätten, aber ihm behagten sie. Dieses Mal war er besonders günstig untergekommen, für zweiunddreißig Pfund fünfzig, Parken inklusive. Er konnte sich im Zimmer Kaffee oder Tee kochen. Farbfernseher gab es auch, und das Bad war sauber. Abgesehen von der Papierabdeckung über der Kloschüssel deutete nichts darauf hin, dass je ein anderer Mensch in dem Raum gewesen war.
    Er hatte das übliche Gepäck dabei: seinen kleinen Koffer, seinen Laptop und die Tasche mit den Akten. Die eigentlichen Aktenordner standen bei ihm zu Hause, wo sie den Großteil seines Büros einnahmen. In der Tasche befanden sich nur die Unterlagen, die er brauchte, wenn er unterwegs etwas nachschauen musste – die wichtigsten Namen, Zahlen und Fakten, außerdem ein paar Fotos und Aussageprotokolle. Wie immer bestand seine erste Handlung darin, die lila Akte herauszunehmen und auf dem kleinen Schreibtisch neben dem Farbfernseher aufzuschlagen. Während der Miniwasserkocher aus weißem Kunststoff aufheizte, griff er nach einem frischen Blatt linierten Papiers, schrieb Datum und Uhrzeit des Treffens oben auf die Seite und notierte dann alles, was bei dem Treffen gesprochen worden war.
    Anschließend machte er sich eine Tasse löslichen Kaffee und nahm einen Keks aus der Plastikverpackung. Plötzlich fiel ihm wieder jener erste Besuch bei Conley in Mortlemere ein. Das ist nur der Anfang, hatte er damals gesagt, nicht das Ende. Sein Blick wanderte zurück zu der Akte. Er musste an den Raum voller Akten bei ihm zu Hause denken. Er dachte an seine Ehe, die Streitereien und das Schweigen und dann das Ende. Für ihn war es überraschend gekommen, aber wie sich herausstellte, hatte Sandra es schon monatelang geplant, sich längst eine neue Wohnung gesucht und mit einem Anwalt gesprochen. Was wirst du machen, wenn es zu Ende ist?, hatte Sandra gefragt – und damit nicht ihre Ehe gemeint, sondern diesen Fall. Das war zu einer Zeit gewesen, als sie noch über solche Dinge sprachen, aber schon damals hatte es eher nach einem Vorwurf als nach einer Frage geklungen. Weil so etwas im Grunde nie ein Ende fand. Er hatte sich sein Buch noch einmal angesehen, da er eine Weile mit dem Gedanken spielte, eine neue Ausgabe herauszubringen, wenn Conley freikam. Inzwischen hielt er nichts mehr von dieser Idee. Das Buch bestand nur aus negativen Aussagen: Warum dieses nicht passiert war und jenes nicht stimmte oder eine bestimmte Information zu nichts führte.
    Die Frage, die sich jetzt stellte, war anders und neu: Wenn George Conley Hazel Barton nicht umgebracht hatte, wer dann?

11
    N ördliche Länder«, sagte Josef, »die trinken alle gleich.«
    »Wie meinst du das, die trinken alle gleich?«
    Josef chauffierte Frieda in seinem alten Lieferwagen. Sie waren auf dem Weg nach Islington, weil Olivia in fast hysterischem Zustand angerufen und verkündet hatte, das Waschbecken im oberen Badezimmer sei während der Party von der Wand gerissen worden und müsse repariert werden, und zwar dringend. Außerdem habe sie beschlossen, nie wieder Teenager in ihr Haus zu lassen. Josef hatte sich bereit erklärt, seine Bauarbeiten an Friedas Bad vorübergehend einzustellen, um Olivia zu helfen. Friedas gefühlsmäßige Reaktion war seltsam zwiespältig.

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