Schwarzer Mittwoch
Einerseits war es lieb von Josef, der schon umsonst ihr Bad renovierte, nun auch noch eine Pause einzulegen, um ihrer Schwägerin zu helfen – aber nicht umsonst, darauf würde Frieda bestehen, und wenn sie es selbst bezahlen musste. Andererseits hielt Josef sich nun ständig bei ihr auf. Sie hatte ihr Haus überhaupt nicht mehr für sich, und jedes Mal, wenn sie einen Blick ins Bad warf, sah es dort noch schlimmer aus.
»Im Süden trinken sie Wein und bleiben stehen. Im Norden trinken sie Schnaps und fallen um.«
»Du meinst, sie trinken, um betrunken zu werden.«
»Um ihre Sorgen zu vergessen und der Dunkelheit zu entkommen.«
Josef machte einen Schlenker, um einem Mann auszuweichen, der völlig unbekümmert auf die Straße getreten war, riesige gelbe Kopfhörer über den Ohren.
»Auf dieser Party gab es also viele Leute, die Schnaps tranken und umfielen?«
»Sie lernen zu früh, wie das geht.« Josef stieß einen langen, sentimentalen Seufzer aus. »Die stabile Seitenlage.«
»Das klingt aber nicht gut.«
»Nein, nein, das ist einfach das Leben. Manche streiten, manche tanzen, manche küssen und halten sich im Arm, andere erzählen von ihren Träumen, ein paar machen was kaputt, ein paar müssen kotzen.«
»Und das alles innerhalb von ein paar Stunden.«
»Chloë hatte nicht so viel Spaß.«
»Wieso nicht?«
»Sie hat die ganze Zeit versucht aufzuräumen. Niemand sollte aufräumen, bevor die Party vorbei ist. Es sei denn, es gibt Scherben.«
Josef parkte seinen Lieferwagen vor Olivias Haus, und sie stiegen aus. Frieda kam gar nicht dazu zu klingeln, weil Olivia schon vorher die Tür aufriss. Sie trug einen Herrenmorgenmantel und hatte eine Trauermiene aufgesetzt.
»Ich musste mich einfach ins Bett legen«, stöhnte sie. »Es ist ein einziges Durcheinander.«
»Es war schon vorher ein ziemliches Durcheinander«, gab Frieda zu bedenken. »Du hast im Vorfeld selbst gesagt, ein bisschen mehr Chaos würde dir gar nicht auffallen.«
»Ich habe mich getäuscht. Es ist nicht nur das Waschbecken. Meine blaue Lampe ist ebenfalls kaputt, und meine Schubkarre auch, weil sie unbedingt ausprobieren mussten, mit wie vielen Leuten man sie beladen und trotzdem noch fahren kann. Allem Anschein nach kam diese Schnapsidee von deinem Freund Jack – wie alt ist der? Ich dachte, er wäre ein Erwachsener und kein Kleinkind. Außerdem ist mein schöner Mantel verschwunden, Kierans Lieblingshut, den er zurückgelassen hat, als er ging, hat oben ein Brandloch von einer Zigarette, die Nachbarn haben sich beschwert, weil in ihren Gärten lauter leere Flaschen liegen und es so laut war, und in meinen Deko-Orangenbaum, der in der Diele steht, hat jemand reingepisst.«
»Ich repariere jetzt jedenfalls das Waschbecken«, meldete Josef sich zu Wort, »und vielleicht auch die Schubkarre.«
»Danke«, antwortete Olivia.
»Pass bloß auf, dass er das Waschbecken nicht aus dem Haus schafft«, bemerkte Frieda.
»Was?«
»Das war ein Witz«, erklärte Josef, »und er war gegen mich gerichtet.«
»Entschuldige, Josef, ich hab’s nicht so gemeint.« Nachdenklich betrachtete sie Olivia. »Wie viele Leute haben denn in die Schubkarre reingepasst?«
Ihre Schwägerin stieß ein zittriges Kichern aus. »Absurd viele, sieben, glaube ich. Im Stehen. Man kann noch von Glück sagen, dass sich keiner den Hals gebrochen hat.«
Obwohl das Ganze schon zwei Tage zurücklag, klebte der Boden noch immer, die meisten Bilder hingen schief, und die Luft roch nach Alkohol. Frieda entdeckte dunkle Flecken an der Wand und Steinchen auf den Teppichstreifen der Treppe.
»Es kommt mir vor wie eines dieser altmodischen Kinderbilderbücher: Halte Ausschau nach dem versteckten Gegenstand! Ständig finde ich irgendwelche unsäglichen Dinge.«
»Du meinst Kondome?«, fragte Josef.
»Nein! Mein Gott, was ist da passiert, wovon ich nichts weiß?«
»Nein, nein, keine Sorge. Ich gehe dann mal hoch.«
Er stapfte mit seiner Werkzeugtasche die Treppe hinauf.
»Lass uns was trinken«, schlug Olivia vor und führte Frieda in die Küche. »Entschuldige! Mir war nicht klar, dass du schon aus der Schule zurück bist.«
Chloë saß am Tisch, und ihr gegenüber ein schlaksiger, ungepflegt wirkender Junge mit einem fettigen dunkelblonden Haarschopf. Seine Füße steckten in Turnschuhen, deren Schnürsenkel nicht gebunden waren, und seine Jeans rutschte ihm fast von den mageren Hüften. Als er den Kopf hob, sah Frieda ein schmales, bleiches, hohläugiges Gesicht.
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