Schwarzer Mittwoch
stellen, die ich Ihnen auch gern am Telefon beantwortet hätte. Vor allem nachdem Sie so krank waren.«
Statt einer Antwort sah Frieda ihn nur an.
»Interessiert es Sie denn nicht, bei wem ich war?«
»Nicht besonders.«
»Es war Ihr Freund.«
Der arme Reuben, dachte Frieda. Gegen jemanden wie Duncan Bailey hatte er bestimmt keine Chance gehabt.
»James Rundell.« Er musterte sie neugierig, den Kopf zur Seite geneigt. »Ich kann nachvollziehen, warum jemand den Wunsch haben kann, ihm eine reinzuhauen.«
Frieda musste sich ein Lächeln verkneifen, als sie sich die Begegnung zwischen James Rundell und diesem scharfsinnigen, zynischen jungen Mann vorstellte, der so wache, glänzende Augen hatte.
»Aber es geht nicht an, dass Sie einfach von einem zum anderen rennen und sich einbilden, Sie könnten die Leute manipulieren«, fuhr Duncan Bailey fort. »Natürlich ist es sehr nett, Sie kennenzulernen, aber eine empfindsamere Natur als ich könnte sich durch Ihren Besuch eingeschüchtert fühlen, Doktor Klein. Wissen Sie, was ich meine?«
»Ich will bloß die Namen.«
Bailey überlegte einen Moment.
»Warum nicht? Die werden ohnehin bald in den Psychologie-Fachzeitschriften stehen. Soll ich sie Ihnen aufschreiben? Ich kann Ihnen auch die Adressen geben, wenn Ihnen das weiterhilft. Zumindest spart Ihnen das ein bisschen Arbeit.« Mit der Geschmeidigkeit einer Katze erhob er sich aus seinem Sessel und durchquerte leichtfüßig den Raum.
Fünfeinhalb Stunden später saß Frieda in einem Flugzeug. Der Last-Minute-Flug war haarsträubend teuer gewesen. Außerdem verreiste sie nur für eine lächerlich kurze Zeitspanne, und zu allem Überfluss fürchtete sie sich auch noch vor dem Fliegen, weshalb sie es fast ein Jahrzehnt lang vermieden hatte. Sie saß auf der Gangseite und bestellte sich einen Tomatensaft. Die Frau neben ihr schnarchte sanft vor sich hin. Frieda saß sehr aufrecht und brannte innerlich vor Angst: weil sie flog, weil Dean Reeve noch am Leben war, weil sie wusste, wie Sterben sich anfühlte, weil sie sich so darauf freute, Sandy zu sehen, und weil es gefährlich war, so viel für einen anderen Menschen zu empfinden. Alleinsein war sicherer.
Als Fearby Vanessa Dale anrief, erklärte sie ihm, dass sie schon Jahre zuvor aus London weggezogen sei und mittlerweile in Leeds lebe, wo sie in einem Drogeriemarkt arbeite. Fearby sagte, das sei kein Problem, er könne zu ihr kommen. Sie habe doch bestimmt eine Mittagspause. Ach ja, und noch was, fügte er hinzu: Falls sie ein Foto von sich habe, das aus der besagten Zeit stamme, solle sie es bitte mitbringen.
Er erwartete sie draußen auf dem Gehsteig und ging mit ihr in ein Café ein paar Türen weiter, wo er für sich einen Tee und für sie eine exotisch klingende Kaffeespezialität bestellte. Obwohl er die kleinste Menge gewählt hatte, sah das schaumige Gebräu aus, als reichte es für vier. Vanessa Dale trug ein bunt gemustertes Shirt über einem dunkelroten Rock, dazu dicke Strümpfe und Stiefeletten. Er registrierte das Namensschild über ihrer linken Brust, während er Stift und Notizbuch herausholte. Man bildete sich immer ein, dass man nichts vergaß, aber das stimmte nicht. Deswegen notierte er alles, schrieb das jeweilige Datum daneben und übertrug es später auf seinen Computer.
»Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben«, sagte er.
»Das ist schon in Ordnung«, antwortete sie.
»Haben Sie ein altes Foto gefunden?«
Sie öffnete ihre Brieftasche und holte zwei Passfotos heraus, die sie wohl aus einem Viererset ausgeschnitten hatte. Er ließ den Blick zwischen dem Foto und ihr hin- und herwandern. Die ältere Vanessa hatte ein runderes Gesicht und langes, dunkles Haar.
»Darf ich das behalten?«, fragte er.
»Ich habe damit kein Problem.«
»Jemand hat mich angerufen«, fuhr Fearby fort, »jemand von der Polizei. Er hat gesagt, Sie hätten am 13. Juli 2004 die Polizei verständigt. Stimmt das?«
»Ich habe ein einziges Mal die Polizei verständigt, aber das ist schon Jahre her. An das genaue Datum erinnere ich mich nicht.«
»Aus welchem Grund haben Sie das damals getan?«
»Jemand hat mir Angst gemacht. Deswegen habe ich die Polizei angerufen.«
»Können Sie mir erzählen, was passiert ist?«
Vanessa musterte ihn argwöhnisch.
»Was soll das Ganze?«
»Ich habe es Ihnen schon gesagt, ich schreibe einen Artikel, aber Ihr Name wird darin nicht auftauchen.«
»Inzwischen kommt es mir dumm vor«, erklärte Vanessa, »aber zu der Zeit
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