Schwarzer Mond: Roman
eingesperrt hatten.
Als Zebediah acht Jahre alt gewesen war, hatte sein Vater völlig betrunken randaliert und von Eidechsen fantasiert, die angeblich aus den Wänden krochen, und die Ärzte hatten ihn zur Ausnüchterung ins Hospital gebracht. Aber im Gegensatz zu früheren Anfällen dieser Art war sein Delirium tremens nicht mehr vergangen, und Zebs Vater war deshalb für den Rest seines Lebens in eine geschlossene Anstalt eingewiesen worden.
Seitdem hatte Zeb immer befürchtet, dass auch er eines Tages geisteskrank werden könnte. Und während er nun sein abschreckendes Spiegelbild anstarrte, wusste er, dass er zuerst das Haus und sich selbst in einen ordentlichen Zustand bringen musste, bevor er Hilfe herbeirufen konnte; andernfalls würden sie ihn einsperren und den Schlüssel wegwerfen.
Um sich zu rasieren, hätte er weiter in den Spiegel schauen müssen, aber er konnte seinen eigenen Anblick nicht länger ertragen und beschloss deshalb, zunächst einmal das Haus zu putzen. Mit gesenktem Kopf - um die Monde nicht sehen zu müssen, die auf ihn eine ebenso starke Anziehungskraft ausübten wie die gezeitenbildende Kraft des echten Himmelskörpers auf die Meere - lief er ins Schlafzimmer, öffnete den Schrank, schob die Kleidungsstücke beiseite und holte seine Remington Kaliber 12 und eine Schachtel Munition heraus. Unter Aufbietung aller Willenskraft widerstand er dem heftigen Verlangen, wenigstens einen flüchtigen Blick auf seine Bildersammlung zu werfen, und kehrte -beharrlich auf den Boden schauend -in die Küche zurück, wo er die Schrotflinte lud und auf den mit Abfällen übersäten Tisch legte. Mit lauter Stimme traf er eine Abmachung mit sich selbst: »Du schaffst jetzt diese Mondbücher aus dem Haus, reißt die Bilder von den Wänden, damit die Wohnung nicht mehr so verrückt aussieht, putzt die Küche, rasierst dich und nimmst ein Bad. Vielleicht wird dein Kopf dann etwas klarer, vielleicht begreifst du dann, was zum Teufel eigentlich mit dir los ist. Dann kannst du Hilfe holen - nicht aber, solange es hier so aussieht!«
Die Schrotflinte war der unerwähnte Teil seiner Abmachung.
Er hatte großes Glück gehabt, dass er durch den Schock beim Anblick seines leeren Kühlschranks für kurze Zeit aus dem Mond-Traum erwacht war, in dem er so lange gelebt hatte; aber wenn er in jenen Alptraum zurückfiel, konnte er nicht damit rechnen, wieder durch etwas aufgerüttelt zu werden. Wenn er deshalb feststellen sollte, dass er dem Sirenengesang der Monde an den Wänden einfach nicht widerstehen konnte, würde er rasch in die Küche zurückkehren, sich die Mündung der Flinte in den Mund stecken und abdrücken.
Der Tod war besser als dies hier.
Und der Tod war auch besser als lebenslängliches Eingesperrtsein.
Er ging ins Wohnzimmer und begann, mit gesenkten Augen die überall herumliegenden Bücher aufzusammeln. Manche hatten Schutzumschläge mit Fotos vom Mond gehabt, aber diese Bilder hatte er längst ausgeschnitten. Mit einem Armvoll Bücher eilte er auf den verschneiten Hinterhof hinaus, zu seinem mit Betonblocks umgebenen Grillplatz. Er warf die Bücher dorthin und lief fröstelnd zum Haus zurück, um weitere zu holen, ohne sich auch nur einen Blick auf den Nachthimmel und den großen, leuchtenden Mond zu gestatten.
Während seiner Arbeit war der Drang, sein Studium des Mondes wieder aufzunehmen, so heftig und gebieterisch wie das Verlangen eines Heroinsüchtigen nach der Spritze -aber Zeb widerstand diesem aberwitzigen Bedürfnis.
Während er immer wieder zum Grillplatz lief, rumorte jene Erinnerung an irgendein vergessenes Ereignis wieder in ihm: Dominick, Ginger, Faye, Ernie ...
Wenn ihm einfiel, wer diese vier Personen waren, dann würde er auch die Ursache für seine Mond-Besessenheit kennen, das fühlte er instinktiv. Er versuchte, sich auf diese Namen zu konzentrieren und auf diese Weise gleichzeitig die Lockrufe des Mondes zu überhören, und diese Methode schien zu funktionieren, denn innerhalb kurzer Zeit hatte er zwei-oder dreihundert Bände in die Grillgrube geworfen und schickte sich nun an, sie zu verbrennen.
Als er jedoch ein Streichholz entzündete und sich hinabbeugte, um es an die Seiten eines Buches zu halten, stellte er zu seinem größten Entsetzen fest, dass der Platz leer war. Er ließ die Streichhölzer fallen und rannte zum Haus, riss die Küchentür auf, stolperte hinein und sah genau das, was er befürchtet hatte.
Die Bücher waren dort aufgestapelt, feucht vom Schnee,
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