Schwarzer Mond: Roman
subatomarer Ebene war der Salzstreuer fortwährend in Bewegung, deshalb dürfte es doch eigentlich gar nicht so schwer sein, ihn zu einer einzigen zusätzlichen Bewegung zu veranlassen, zu einer kleinen Wanderung auf der makrokosmischen Ebene des menschlichen Wahrnehmungsvermögens, zu einem einzigen kleinen Hopp und Sprung, einem einzigen ...
Dom verspürte einen plötzlichen Auftrieb, eine Spannkraft, so als würde er gleich selbst von einer geheimnisvollen Kraft bewegt werden, aber statt dessen bewegte sich der Salzstreuer.
Dom hatte sich so ausschließlich mit dem alltäglichen Gebrauchsgegenstand beschäftigt, dass er Ginger und die anderen völlig vergessen hatte; erst als sie hörbar nach Luft schnappten und leise Laute des Staunens von sich gaben, wurde er wieder an ihre Gegenwart erinnert.
Der Salzstreuer glitt nicht einfach einen Zentimeter - oder zwei oder zehn oder zwanzig - über den Tisch. Er stieg statt dessen in die Luft empor, so als hätte die Schwerkraft keine Macht mehr über ihn. Wie ein kleiner Glasballon flog er immer höher; dreißig Zentimeter, sechzig, einen Meter ... In etwa ein Meter zwanzig Höhe über dem Tisch hielt er in seiner Aufwärtsbewegung inne und hing ohne jede Stütze da, und die stehenden Zuschauer blickten ehrfürchtig zu diesem unscheinbaren Ding empor.
An anderen Tischende erhob sich jetzt auch Brendans Pfefferstreuer in die Luft empor. Mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund starrte der Priester auf den Zylinder. Als dieser genau in der gleichen Höhe wie Doms Salzstreuer stehenblieb, wagte Brendan seine Augen endlich von dem Gegenstand abzuwenden. Er blickte zu Dom hinüber, betrachtete aber sogleich wieder nervös den Streuer, weil er befürchtete, dass dieser herunterfallen würde, sobald er ihn nicht mehr fixierte. Als er feststellte, dass Blickkontakt zur Aufrechterhaltung des Schwebezustands nicht erforderlich war, sah er wieder zu Dom hinüber.
In den Augen des Priesters standen die verschiedensten Gefühle geschrieben: Verwirrung, fassungsloses Staunen, Furcht und das Bewusstsein seiner tiefen inneren Verbundenheit mit Dom aufgrund der ihnen gemeinsamen paranormalen Kraft.
Dom war völlig perplex, dass es ihn nicht einmal Anstrengung kostete, den Salzstreuer in der Luft zu halten. Es fiel ihm schwer zu glauben, dass er dieses Phänomen bewirkt hatte. Er war sich nicht bewusst, irgendeine Kraft auf den Gegenstand auszuüben.
Offensichtlich funktionierte seine telekinetische Fähigkeit ganz automatisch, ähnlich wie Atmung und Herzschlag.
Brendan hob seine Hände. Die roten Ringe waren wieder sichtbar.
Dom betrachtete seine eigenen Hände. Die gleichen unbegreiflichen Stigmata brannten auf seiner Haut. Was hatten sie nur zu bedeuten? Die beiden in der Luft schwebenden Streuer weckten in Dom ein noch stärkeres Gefühl der Erwartung als zu Beginn des Experiments. Die anderen hatten anscheinend ähnliche Empfindungen, denn sie begannen Dom und Brendan zu weiteren Kunststücken anzuspornen.
»Unglaublich!« sagte Ginger. »Sie haben uns vertikale Bewegung und freien Schwebezustand vorgeführt. Können Sie die Streuer auch horizontal bewegen?«
»Können Sie auch etwas Schwereres haben?« fragte Sandy Sarver.
»Das Licht!« rief Ernie. »Können Sie das rote Licht erzeugen?« Dom wollte sich erst an einer einfacheren Aufgabe als den vorgeschlagenen versuchen und dachte daran, den Salzstreuer eine leichte Drehung vollführen zu lassen. Der Glasbehälter begann sich sogleich um die eigene Achse zu drehen und entlockte den Zuschauern wieder staunende Ausrufe. Einen Augenblick später begann auch Brendans Pfefferstreuer sich zu drehen. Die Lichtstrahlen der Deckenlampen huschten über ihre glänzenden Metallkappen, brachen sich an den Glasfacetten, so dass die Streuer funkelndem Christbaumschmuck glichen.
Dann bewegten sich die beiden Streuer aufeinander zu; sie vollführten die von Ginger erbetene horizontale Bewegung, obwohl Dom sich nicht bewusst war, den Salzstreuer in diese Richtung dirigiert zu haben. Er vermutete, dass Gingers Vorschlag von seinem Unterbewusstsein akzeptiert worden war, das jetzt die psychische Energie für die Aufgabe lieferte, ohne darauf warten zu müssen, dass er bewusst seinen Willen einsetzte. Es war unheimlich, den Streuer so lenken zu können, ohne zu wissen, auf welche Weise er dazu fähig war.
In der Mitte des langen Tisches stoppten Salz-und Pfefferstreuer etwa 25 Zentimeter voneinander entfernt und drehten sich nun
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