Schwarzer Mond: Roman
einbog, versuchte Jorja erfolglos, Alan aus ihren Gedanken zu verbannen. Dieser Dreckskerl! Er war mit seiner derzeitigen Bettpartnerin -einer Blondine mit dem unwahrscheinlichen Namen >Pepper< -für eine Woche nach Acapulco geflogen, ohne auch nur ein Weihnachtsgeschenk für Marcie zu besorgen. Was sagte man einem siebenjährigen Mädchen, wenn es fragte, warum Daddy ihm nichts zu Weihnachten geschenkt habe und auch nicht zu Besuch gekommen sei? Obwohl Alan sie mit jeder
Menge unbezahlter Rechnungen sitzengelassen hatte, hatte sie auf Unterhaltsansprüche für sich selbst verzichtet, denn sie verabscheute ihn damals derart, dass sie nicht von ihm abhängig sein wollte. Sie hatte jedoch Unterhaltszahlungen für das Kind verlangt und war erschüttert gewesen, als er frech behauptete, Marcie wäre nicht sein Kind, und er trüge für sie deshalb keine Verantwortung. Zur Hölle mit ihm! Jorja hatte ihn geheiratet, als sie neunzehn und er vierundzwanzig Jahre alt gewesen war, und sie war ihm nie untreu gewesen.
Alan wusste auch genau, dass sie ihn nie betrogen hatte, aber für ihn war es ungleich wichtiger, seinen aufwendigen Lebensstil beibehalten zu können - er benötigte jeden Dollar für Kleidung, schnelle Autos und Frauen; dafür opferte er bereitwillig den guten Ruf seiner Frau und das Glück seiner Tochter. Um der kleinen Marcie Demütigung und Schmerz zu ersparen, hatte Jorja auf Unterhaltszahlungen verzichtet, bevor er seine gemeinen Behauptungen im Gerichtssaal vorgetragen hätte.
Sie war fertig mit ihm. Sie sollte überhaupt nicht mehr an ihn denken.
Aber während sie am Einkaufszentrum bei der Kreuzung Maryland Parkway und Desert Inn Road vorbeifuhr, dachte Jorja unwillkürlich daran, wie jung sie gewesen war, als sie sich an Alan gebunden hatte -viel zu jung zum Heiraten und viel zu naiv, um Alans Fassade zu durchschauen. Mit neunzehn hatte sie ihn für überaus weltmännisch und charmant gehalten. Mehr als ein Jahr war ihre Ehe scheinbar glücklich gewesen, aber allmählich hatte sie begonnen, ihn so zu sehen, wie er wirklich war: oberflächlich, eitel, prahlerisch, faul und außerdem ein unverbesserlich polygamer Weiberheld.
Im vorletzten Sommer, als ihre Beziehung schon nicht mehr die beste war, hatte Jorja versucht, die Ehe zu retten, indem sie Alan zu einer sorgfältig geplanten dreiwöchigen Urlaubsreise überredete. Sie hatte ihre Probleme teilweise darauf zurückgeführt, dass sie viel zu wenig Zeit zusammen verbrachten. Er war als Kartengeber für Bakkarat in einem Hotel beschäftigt, sie arbeitete in einem anderen Hotel, und sie hatten häufig verschiedene Schichten, schliefen zu verschiedenen Zeiten. Nur sie beide und Marcie auf einer erlebnisreichen dreiwöchigen Autotour -sie hatte gehofft, die angeschlagene Beziehung damit einrenken zu können.
Wie fast vorherzusehen gewesen war, hatte ihr Plan nicht geklappt. Nach diesem Urlaub, nach der Rückkehr nach Las Vegas, hatte Alan einen noch loseren Lebenswandel geführt. Er schien geradezu besessen von der Idee, mit jeder Frau, die ihm über den Weg lief, ins Bett gehen zu müssen. Man hätte fast glauben können, dass er bei jenem Urlaub irgendwie jedes Augenmaß verloren hatte, denn diese flüchtigen Abenteuer wurden in Anzahl und Intensität bei ihm geradezu zur Manie, zu einer erschreckenden Sucht. Drei Monate später, im Oktober jenes Jahres, hatte er Jorja und Marcie verlassen.
Das einzig Gute an jener Reise war die kurze Begegnung mit der jungen Ärztin gewesen, die - wie sie erzählt hatte - im ersten Urlaub ihres Lebens mit dem Auto quer durchs Land unterwegs war, von Stanford nach Boston. Jorja erinnerte sich sogar noch an ihren Namen: Ginger Weiss. Obwohl sie sich nur einmal begegnet waren, und auch da nur für etwa eine Stunde, hatte Ginger Weiss -ohne etwas davon zu wissen - Jorjas Leben verändert. Die Ärztin war so jung, so schlank, zierlich und weiblich gewesen und gleichzeitig so selbstsicher und so außergewöhnlich tüchtig und erfolgreich in ihrem Beruf. Tief beeindruckt von Ginger Weiss, hatte das Beispiel der jungen Ärztin Jorja später motiviert, mehr aus sich zu machen. Bis dahin hatte sie immer geglaubt, sie könnte nie einen anspruchsvolleren Job als den einer Bedienung ausüben, aber nachdem Alan sie verlassen hatte, war Dr. Weiss ihr eingefallen, und sie hatte beschlossen, etwas für ihre Fortbildung zu tun.
In den letzten elf Monaten hatte sie -trotz ihres ohnehin hektischen Tagesablaufs -Kurse für den Beruf
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