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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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derjenige, der’s aufwischt.
    Toby hörte einen Moment lang auf zu bellen und sah erwartungsvoll zu mir auf.
    Ich seufzte. »Wo ist die Leine?«

 
    Die Öffentlichkeit hat ein recht verzerrtes Bild davon, wie eine polizeiliche Ermittlung abläuft. Sie malt sich gern aus, wie hinter heruntergelassenen Jalousien fieberhafte Beratungen abgehalten werden und unrasierte, aber auf verwegene Art gutaussehende Ermittler sich zielstrebig und aufopfernd in den Suff und die Ehekatastrophe hineinarbeiten. In Wirklichkeit geht man, falls man nicht auf irgendeine brandeilige Spur gestoßen ist, nach Feierabend nach Hause und widmet sich den wichtigen Dingen des Lebens   – wie Essen, Trinken, Schlafen und, wenn man Glück hat, einer Beziehung zu jemandem mit Geschlecht und sexueller Orientierung nach Wunsch. Ich hätte am nächsten Morgen liebend gern zumindest einer dieser Tätigkeiten gefrönt, wäre ich nicht zufällig auch der letzte verdammte Zauberlehrling Englands gewesen. Was bedeutete, ich musste meine Freizeit damit verbringen, die Theorie der Magie zu studieren, tote Sprachen zu büffeln und Bücher zu lesen wie
Abhandlungen über das Metaphysische
von John »hasst Wörter, die nicht mindestens drei Silben haben« Cartwright.
    Und natürlich zaubern zu lernen   – weshalb sich das Ganze wenigstens lohnte.
    Hier ist ein Zauberspruch:
Lux iactus scindere
. Sie können das leise oder laut sagen oder in dramatischer Pose während eines Gewitters deklamieren   – nichts wird passieren. Das liegt daran, dass die Worte nur die äußere Gestalt der
Formae
sind, die Sie dabei im Geiste aufbauen:
Lux
, um Licht zu erschaffen, und
Scindere
, um es an einer Stelle zu fixieren. Führt man diesen Zauber richtig aus, dann erschafft er ein Licht, das an einem Ort verankert ist.
    Verpatzt man ihn, kann er ein Riesenloch in einen Labortisch brennen.
    »Wissen Sie«, sagte Nightingale, »ich glaube nicht, dass ich so etwas schon einmal erlebt habe.«
    Ich verpasste dem Tisch einen letzten Spritzer aus dem Feuerlöscher und bückte mich, um nachzuschauen, ob der Boden unbeschädigt geblieben war. Ein kleiner Brandfleck war zu sehen, aber zum Glück kein Krater.
    »Es haut mir immer wieder ab«, sagte ich.
    Nightingale stand aus dem Rollstuhl auf und sah selbst nach. Er bewegte sich vorsichtig und belastete die rechte Seite kaum. Falls er noch einen Verband um die Schulter trug, verbarg er ihn unter einem frisch gebügelten fliederfarbenen Hemd, das ungefähr bei der Abdankung von König Edward in Mode gewesen war. Molly tat ihr Bestes, um ihn herauszufüttern, aber er war immer noch bleich und dünn. Er ertappte mich dabei, wie ich ihn prüfend ansah.
    »Ich wäre froh, wenn Sie und Molly aufhören würden, mich derart zu mustern. Ich bin auf dem besten Wege der Genesung. Ich weiß, wovon ich rede, ich wurde ja nicht zum ersten Mal angeschossen.«
    »Soll ich’s noch mal probieren?«
    »Nein«, sagte er. »Das Problem liegt ganz offensichtlich beim
Scindere
. Ich dachte mir schon, dass Sie sich das nicht gründlich genug erarbeitet haben. Morgen fangen wir mit der
Forma
noch einmal von vorn an, und sobald ich mir sicher bin, dass Sie sie richtig beherrschen, versuchen wir es wieder mit diesem Zauber.«
    »Halleluja«, sagte ich.
    »Das ist überhaupt nicht ungewöhnlich«, versicherte er in ermutigendem Tonfall. »Sie müssen die Grundlagen unserer Kunst einwandfrei beherrschen, sonst wird alles, was Sie darauf aufbauen, fehlerhaft und darüber hinaus instabil. In der Zauberei gibt es keine bequemen Lösungen, Peter. Wenn es sie gäbe, würde sie jeder praktizieren.«
    Oh ja, zum Beispiel in
England sucht den Zauberstar
, dachte ich, aber so ein Kommentar wäre bei Nightingale fehl am Platz, weil er, was die Zauberkunst anging, keinen Spaß verstand und sich im Fernsehen sowieso nur Rugby anschaute.
    Ich setzte die aufmerksame Miene des pflichteifrigen Lehrlings auf, aber Nightingale ließ sich nicht täuschen.
    »Erzählen Sie mir von Ihrem toten Musiker.«
    Ich informierte ihn über alles, wobei ich betonte, wie stark die
Vestigia
gewesen waren, die Dr.   Walid und ich in der Nähe des Leichnams gespürt hatten.
    »Hat er sie genauso stark empfunden wie Sie?«, wollte Nightingale wissen.
    Ich hob die Schultern. »Es waren
Vestigia
, Boss. Stark genug, dass wir beide eine Melodie hören konnten. Das ist doch verdächtig.«
    »Verdächtig ja«, meinte er und ließ sich stirnrunzelndwieder in seinem Rollstuhl nieder. »Aber ist

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