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Schwarzer Neckar

Schwarzer Neckar

Titel: Schwarzer Neckar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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nachweisen.«
    »Dazu hast du wohl einen gehörigen Teil selbst beigetragen.«
    »Wie meinst du das?« Treidler blickte überrascht auf und runzelte die Stirn.
    »Nun ja …«, druckste Amstetter herum.
    »Sag schon!«
    »Wie soll ich das am besten formulieren?« Amstetter rieb sich über das Kinn. »Vielleicht hat dein Auftritt damals vor Gericht nicht unbedingt Licht in die Sache gebracht. Du hast ausgesagt, du könntest dich an die Stunden, auf die es an diesem Abend ankam, nicht mehr erinnern. Es ist verflucht schwer, das so einfach zu glauben.«
    »Sagt wer?«
    »Das weißt du genau – alle hier.«
    »Pah – alle.« Treidler spuckte das Wort fast aus. »Was wissen die schon? Ich würde viel dafür geben, wenn ich mich daran erinnern könnte. Aber das Letzte, was ich von diesem Abend weiß, ist, dass ich bei Birgit war. Für die Zeit danach ist alles nur schwarz.«
    »Und warum hast du das damals nicht genau so ausgesagt, als du noch die Chance dazu hattest? Warum musste der Richter von deiner Exfreundin erfahren, dass du bei ihr warst?«
    »Warum, warum, warum? Alle fragen immer nach dem Warum. Scheiße, Ernie – vielleicht, weil es außer mir auf der ganzen Welt niemanden gibt, der den Abend bei einer Exfreundin verbringt, während zu Hause seine schwangere Frau getötet wird. Reicht das als Begründung?«
    Amstetter sog die Luft ein. Eine Zeit lang schwiegen sich die beiden an. »Wolfes, was ist an diesem Abend wirklich geschehen?«, fragte er schließlich.
    Treidlers Gedanken verfinsterten sich schlagartig. Allein die Vorstellung, was an diesem Abend geschehen war, erfüllte ihn mit lähmender Furcht. »Verdammt noch mal – ich weiß es nicht mehr.«
    »Genau das ist es, was dir jeder vorhält. Gewiss, es gibt keine Gesetzmäßigkeit, wie eine partielle Amnesie verläuft. Manches aus deinem Gedächtnis bleibt ganz oder teilweise verloren. Doch die meisten Erinnerungen kehren zurück, obwohl es unwahrscheinlich ist, dass du dich jemals vollständig an den Abend erinnern wirst. Aber du solltest es versuchen – immer wieder.«
    »Ich tue seit zwei Jahren nichts anderes.« Treidler spürte das Misstrauen in Amstetters Worten. Warum zum Teufel wollte er das plötzlich wissen? Bisher hatte er ihn nie auf den Abend des Mordes angesprochen. »Und ich dachte, du bist auf meiner Seite.«
    »Bin ich auch.« Amstetter machte eine abwehrende Handbewegung. »Aber deine Ex … wie heißt sie noch mal?«
    »Birgit, Birgit Mohrmann.«
    »Ja, diese Birgit Mohrmann. Sie hat ausgesagt, dass du Lisa verlassen wolltest.«
    »Diese verfluchte Hexe hat gelogen! Merkt denn das niemand?« Treidler schrie jetzt fast. »Sie hat es schon damals nicht überwunden, als ich sie wegen Lisa verlassen habe.« Er rang um Fassung und atmete ein paarmal tief durch. Er wollte heute nicht über den Abend des Mordes reden. Aber er konnte Amstetters unausgesprochenen Vorwurf nicht so stehen lassen. Und da platzten die Worte regelrecht aus ihm heraus: »Der Prozess – ich habe etwas verschwiegen.«
    »Das denken alle.«
    »Ich habe Lisa an diesem Tag angelogen und gesagt, dass wir die Nacht über eine Observation hätten, drüben im Industriegebiet. In Wahrheit hatte Birgit mich eingeladen. Ein Abendessen geht schon, dann haust du wieder ab, habe ich gedacht. Doch an diesem Abend war zu viel Alkohol im Spiel.« Er schluckte trocken. Das Weiterreden fiel ihm schwerer. »Ja, ich habe an diesem Abend mit Birgit geschlafen. Ich weiß nicht, welcher Teufel mich geritten hat. Später hat sie dann mit mir rumgestritten wegen meiner Ehe mit Lisa, und ich bin dann einfach gegangen.«
    »Wohin?«
    »Raus, einfach nur raus. Weiter weiß ich nicht mehr. Es ist alles wie ausgelöscht.«
    »Bist du sicher?«
    »Ja, verdammt. Warum sollte ich dich anlügen?«
    Die Frage stand im Raum. Das laute Ticken der riesigen Wanduhr von nebenan ließ die Stille noch unerträglicher erscheinen. Amstetter antwortete nicht.
    Treidler wandte sein Gesicht erneut dem Fenster zu und fuhr mit erstickter Stimme fort: »Weißt du, wie es sich anfühlt, wenn man glaubt, dass man wahnsinnig wird?«
    Noch immer erwiderte Amstetter nichts.
    »Es war meine Schuld – meine allein.«
    »Ich weiß.« Amstetters Stimme klang mechanisch.
    »Das war kein beschissenes Schicksal. Ich bin Polizist – ihr Mann. Ich hätte für sie da sein müssen.« Treidler hob die Achseln und schaute wieder zu der hageren Gestalt vor seinem Schreibtisch. »Du wolltest wissen, was an diesem Abend geschehen

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