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Schwarzer Neckar

Schwarzer Neckar

Titel: Schwarzer Neckar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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bemerkenswerter war, er konnte diese Fähigkeit an die Neuen weitergeben. Nur äußerst selten kam er in die Lage, seine Pistole ziehen zu müssen. Duffner sagte immer: »Wer die Waffe benötigt, hat nicht genug nachgedacht, um eine bessere Lösung zu finden.« Doch in dieser Nacht war der Polizeiobermeister offenbar anderer Ansicht gewesen.
    Am Eingang waren keine Einbruchsspuren zu erkennen. PM Meyer öffnete die Tür so weit, dass er den Hausflur überblicken konnte, trat aber noch nicht ein. Er rief in den Hausflur, erhielt jedoch keine Antwort.
    Auf Anweisung von POM Duffner entsicherten beide ihre Dienstwaffe und luden durch. POM Duffner betrat als Erster das Haus, während PM Meyer das Vorrücken seines Kollegen absicherte.
    Beide Beamten kannten die Räumlichkeiten im Haus nicht, sodass sie sich zuerst orientierten. Vom Hauseingang aus erkannten sie linker Hand die Gästetoilette und gegenüber davon eine Art Arbeitszimmer, in dem sich ein Schreibtisch mit Drehstuhl und ein Sofa befanden. Nach diesem Zimmer, auf der gleichen Flurseite, führte eine Holztreppe in den zweiten Stock. Weiter hinten am Flur lagen zwei andere Zimmer. Obwohl auch diese Türen offen standen, konnten sie beide Räume von ihrer derzeitigen Position nicht einsehen. POM Duffner ging mit gezogener Waffe weiter den Flur voran.
    Treidler ließ die Seiten sinken und bedeckte die Lider mit der Hand. Die Aussage der beiden Beamten vermischte sich mit seinen eigenen Erinnerungen an das gemeinsame Haus. Er sah die Astlöcher in der Maserung des Eiche-Parkettbodens, das Gelb der Raufasertapeten, deren Farbe Lisa auch dann noch zu dunkel vorgekommen war, als er fast nur noch Weiß beim Streichen verwendet hatte. Doch es blieb nicht bei den visuellen Eindrücken, sondern er hörte gleichzeitig das Ächzen des Hauses im Wind und nahm dessen Geruch wahr. Mit einem Mal drang das Wachs in seine Nase, das sie Wochen zuvor auf den Parkettboden aufgebracht hatten. Und über allem hing der zarte Duft nach Vanille von den Kerzen, die sie in den Wochen vor Weihnachten täglich anbrannte. Ein Duft, der sich oft auch in ihren Haaren verfing.
    Im nächsten Augenblick glaubte Treidler die Anspannung Duffners zu spüren, während er den Flur entlangschlich – nur scheinbar sicher hinter seiner Dienstwaffe, die sich den Weg durch das Halbdunkel suchte.
    PM Meyer folgte seinem Vorgesetzten und überprüfte Zimmer eins und zwei. Es befanden sich keine Personen darin.
    POM Duffner entschied sich, zusätzlich noch das Wohnzimmer im Erdgeschoss zu untersuchen. Auch dort befand sich niemand. POM Duffner bezeichnete den Zustand des Zimmers als »normal«. Er konnte keinerlei Kampf- oder Einbruchsspuren erkennen.
    Auf die Frage von KHK Winkler, warum die beiden Beamten nicht die Küche untersuchten, gab POM Duffner an, dass sie durch die halb offene Tür fast den gesamten Raum einsehen konnten und sie deshalb dort niemanden vermuteten. Er selbst ging zu diesem Zeitpunkt nicht mehr davon aus, dass es sich um einen gefährlichen Einsatz handelte, wie es die Leitstelle gemeldet hatte.
    PM Meyer und POM Duffner verständigten sich, den zweiten Stock zu überprüfen und behielten die Waffen schussbereit. KHK Winkler wollte wissen, ob ihnen im Wohnzimmer des Hauses etwas aufgefallen sei. Während POM Duffner verneinte, antwortete PM Meyer: »Zwei angetrunkene Gläser auf dem Wohnzimmertisch, eines davon ein Sektglas.«
    POM Duffner betrat die Treppe. Schon auf den ersten Stufen bemerkte er einen schwachen Lichtschein, der unter der Tür eines Zimmers auf der rechten Seite hervortrat. Erneut bekam er auf seinen Ruf keine Antwort und ging weiter.
    Das Knarren der dritten und vierten Stufe. Schon immer hatte es ihm das Geräusch unmöglich gemacht, sich nach oben zu schleichen, wenn er nachts von der Arbeit nach Hause kam. Lisa war jedes Mal wach geworden davon, und er hatte ihr am anderen Morgen versprechen müssen, etwas gegen das Knarren der Stufen zu tun. Er hatte die Treppe nie repariert.
    POM Duffner öffnete die Tür auf der rechten Seite.
    Das erste Zimmer auf der rechten Seite war das Schlafzimmer. Ihr Schlafzimmer. Dort hatten die beiden Beamten Lisa gefunden.
    Mit dem nächsten Atemzug roch er das Schlafzimmer, roch Lisa und den unwiderstehlichen Duft ihrer Haut nach etwas Blumigem. Er spürte die Wärme ihres Atems, die Weichheit ihrer Lippen.
    »He, Bulle«, hatte sie im Halbschlaf manchmal zärtlich geflüstert, nachdem sie durch das Knarren der Stufen aufgewacht

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