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Schwarzer Neckar

Schwarzer Neckar

Titel: Schwarzer Neckar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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Fahrzeugen.«
    Treidler legte den Leerlauf ein und zog die Handbremse an.
    »Sie scheinen einen ziemlichen Eindruck bei den Kollegen der Schutzpolizei hinterlassen zu haben«, meinte Melchior, als der Mann sich außer Hörweite befand.
    »Wundert Sie das?«
    Melchior reagierte erst nicht, und Treidler vermied es, sie direkt anzublicken.
    Schließlich fragte sie: »War wohl ziemlich hart?«
    »Was?«
    »Die Zeit in der Untersuchungshaft.«
    »Was glauben Sie denn?«
    Erneut breitete sich Schweigen im Wagen aus, bis Treidler sagte: »Am schlimmsten waren die ersten Wochen. Zuerst dachte ich noch, es war ein Versehen und alles wird sich schon regeln – vielleicht schon am nächsten Tag.«
    »Aber es hat sich nichts geregelt?«
    Treidler nickte und schaute zu Boden. Schmutziges Schmelzwasser hatte sich in den Vertiefungen der Fußmatte gesammelt. »Weder am nächsten noch an irgendeinem anderen Tag. Und bald sind aus den Tagen Wochen geworden. Auch nach dem ersten Monat war ich immer noch überzeugt, dass jeder neue Tag der letzte im Gefängnis sein müsste. Jeden Morgen hab ich ein Blatt von dem beschissenen Kalender abgerissen. Und so ist Monat um Monat vorbeigegangen, ohne dass etwas geschehen ist. Später hab ich nur noch gehofft, dass es irgendwann aufhört. Ein verfluchtes halbes Jahr musste ich darauf warten. Länger konnten sie mich nicht mehr festhalten.«
    Der Streifenwagen vor ihnen an der Unfallstelle fuhr ein paar Meter zurück, um die Fahrbahn freizumachen.
    »Doch erst nach der Entlassung ist mir alles so richtig klar geworden. Sechs Monate sind eine verdammt lange Zeit, wenn man weg vom Fenster ist. Es gibt kaum jemanden unter den Kollegen, der auf dich wartet und danach noch etwas mit dir zu tun haben will.«
    Treidler legte den ersten Gang ein, löste die Handbremse und ließ die Kupplung langsam kommen. »Dann ist da die Sache mit dem Geld. Als suspendierter Beamter erhält man kein Gehalt. Kein Gehalt bedeutet aber auch, dass keine Raten mehr gezahlt werden. Und diese verfluchten Arschlöcher von der Bank haben sich noch nie für die Menschen hinter den Kreditverträgen interessiert. Am Ende war das Haus weg.«
    Langsam setzte sich der Mercedes in Bewegung. Nach wenigen Metern erreichten sie die Sanitäter, die immer noch neben dem Verletzten knieten. An dieser Stelle verengte sich die Fahrbahn derart, dass Treidler im Auto hören konnte, wie einer der beiden, ein etwas fülliger Mann mit Vollbart und dunklem Lockenkopf, beruhigend auf die Person einredete. Gleichzeitig presste er dem Verletzten eine Beatmungsmaske auf Mund und Nase. Mit der anderen Hand hantierte der Sanitäter in einer zylindrischen blauen Tasche am Boden. Sofort erklang das charakteristische Zischen von austretendem Gas. Treidler spürte im nächsten Augenblick, wie sich ihm die Nackenhaare sträubten, und mit einem Mal wusste er, wo er das Geräusch zuletzt gehört hatte. Er stieg auf die Bremsen und brachte das Fahrzeug abrupt neben dem Krankenwagen zum Stehen.
    »Was ist los?«, rief Melchior aus.
    »Das Geräusch.«
    »Welches Geräusch?«
    »Es hörte sich an wie …« Treidler sprach nicht weiter, sondern schaltete den Motor ab und lauschte.
    »Wie hörte es sich an?«, erkundigte sich Melchior.
    »Hat Ihr Handy eine Aufnahmefunktion?«, fragte er.
    »Wieso?« Sie tastete ihre Jacke ab und sah ihn erwartungsvoll an.
    »Fragen Sie nicht andauernd blödes Zeug, sondern geben mir einfach eine Antwort.«
    »Sie können mich mal.« Melchior hielt abrupt inne und wandte ihren Blick ab.
    Treidler verdrehte die Augen. »Da eben, das Zischen der Sauerstoffflasche. Ich will dieses Geräusch aufnehmen.«
    »Warum?« Sie starrte weiterhin zur Seitenscheibe hinaus.
    »Verflucht noch mal, tun Sie es einfach.«
    Melchior drehte sich zu ihm und funkelte ihn wütend an. »Nein!«
    Eingebildete Zicke. Treidler presste die Lippen fest aufeinander. Zum ersten Mal hasste er es, sich nicht unter Kontrolle zu haben. »Ich brauche es für den Fall.«
    » Den Fall?«
    »Lisas Fall.«
    »Lisa wie Elisabeth Treidler? Ihre Frau?«
    Er nickte. »Es gibt so ein ähnliches Geräusch auf der Aufzeichnung ihres Notrufes.«
    »Sie wollen damit einen Vergleich der Tonfrequenzen machen lassen? Haben Sie denn eine Kopie der Aufnahme?«
    Treidler nickte wieder.
    »Sie machen diesen Job nur noch aus einem Grund: um den Mord an Ihrer Frau aufzuklären. Das dachte ich heute Morgen schon, als ich die Bilder auf Ihrem Schreibtisch gesehen habe.«
    »Und wenn schon?

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