Schwarzer Neckar
Was ist daran so verwerflich?«, gab Treidler zurück. Er spürte, dass er heftig blinzelte. »Ich habe unsere Ermittlungen zu keiner Zeit behindert.«
»Das stimmt. Trotzdem kann man Sie deswegen rausschmeißen. Einfach so.« Sie schnippte mit den Fingern.
Er zuckte mit den Achseln. »Glauben Sie wirklich, das interessiert mich noch? In meiner Situation gibt es nicht mehr viel zu verlieren.«
Melchior atmete ein paarmal tief durch und stierte vor sich hin. Schließlich erklärte sie mit sachlicher Stimme: »Ja, hat es. Mein Handy hat eine Aufnahmefunktion.« Ein Schmunzeln erhellte ihr Gesicht. »Aber ich mache das besser selbst. Bei Ihrer Abneigung für moderne Kommunikationsmittel können wir uns dann wenigstens sicher sein, dass die Aufnahme auch auf dem Gerät landet.«
»Danke.« Erleichtert nickte er Melchior zu. »Sie haben was gut bei mir.«
Sie stiegen aus und näherten sich der Unfallstelle. Jetzt, von Nahem, erkannte Treidler, dass es sich bei der Person auf der Trage um einen Mann handelte. Er war bei Bewusstsein. Seine Stirn überzogen tiefe Schrammen, und aus einer Wunde am Kopf drang Blut. Mit weit aufgerissenen Augen musterte der Verletzte die beiden Ankömmlinge. Mehr konnte Treidler von dem Gesicht des Mannes nicht sehen. Der Rest verschwand hinter der mächtigen Hand des Sanitäters mit den schwarzen Locken. Er presste dem Verletzten die Atemmaske auf den Mund. Zwischen seinen behaarten Fingern führte ein durchsichtiger Schlauch zu der Tasche am Boden und endete am Ventil einer weißen Sauerstoffflasche.
Auch der Sanitäter schaute sie für einen Moment erstaunt an, wandte sich aber sogleich wieder dem Mann auf der Trage zu. Treidler gab Melchior ein Zeichen. Sie startete die Aufnahmefunktion ihres Mobiltelefons. Als hätten sie es abgesprochen, öffnete der Mann vom Rettungsdienst im nächsten Moment das Ventil an der Sauerstoffflasche. Und schon beim ersten Ton gab es keinen Zweifel mehr, dass es dieses Zischen war, das er auf der Aufnahme von Lisas Notruf gehört hatte.
»Diese Flasche mit dem Sauerstoff, wo kann man so eine hier in der Gegend kaufen?«, fragte er den dunklen Lockenkopf.
»Wer will das wissen?«, gab der Angesprochene zurück. Seine tiefe, fast gurrende Stimme hätte zu seiner fülligen Erscheinung mit dem runden Gesicht und dem Vollbart nicht passender sein können.
Treidler zückte seinen Ausweis und hielt ihn dem Sanitäter unter die Nase.
»Sehen Sie nicht, dass wir beschäftigt sind?«, erwiderte der Mann nach einem kurzen Blick auf den Ausweis.
»Natürlich sehe ich das. Aber ich habe nur diese eine Frage und störe Sie danach nicht mehr.«
Der Sanitäter seufzte kurz und stellte das Ventil ab. »Kaufen, sagten Sie?«, wiederholte er mit dröhnendem Bass. »Das weiß ich nicht. Ich habe das Beatmungsgerät nicht angeschafft. Es gehört zur Ausstattung des Rettungswagens.«
Treidler nickte. »Und was ist, wenn die Flasche leer ist?«
»Das ist bereits Ihre zweite Frage.«
»Richtig. Dann hab ich wohl gelogen«, entgegnete Treidler bissig.
»Wenn Sie uns anschließend unsere Arbeit machen lassen …« Der Sanitäter zuckte mit den Achseln. »Es gibt nur einen Händler hier in der Nähe, der alle Arten von Gasflaschen wieder auffüllt. Das ist das Z t G .«
» Z t G ?«
»Das Zentrum für technische Gase in Rottweil, draußen an der Saline.«
»Na also«, entgegnete Treidler. »Und schon sind Sie uns los.«
Bevor Treidler sein Büro in der Polizeidirektion aufsuchte, machte er einen Abstecher ins Sekretariat, um nachzufragen, ob in ihrer Abwesenheit jemand angerufen hatte. Beide Sekretärinnen saßen hinter ihrem Schreibtisch und blickten auf, als sie ihn bemerkten. Er ahnte sofort, dass etwas nicht stimmte.
Während Ursula Lohrmann sich gleich wieder um ihre Arbeit kümmerte, sprang Anita Schober wie von der Tarantel gestochen auf.
»Das sind Sie ja endlich. Ich bin extra noch geblieben, um es Ihnen sofort zu sagen. Es ist sehr wichtig.« Sie atmete hastig, und Treidler fürchtete schon, sie könnte hyperventilieren. Doch schneller als er dachte, brachte sie ihre Atemfrequenz unter Kontrolle und fügte mit einem Seitenblick auf ihre Kollegin hinzu: »Man kann ja nie wissen, ob Sie es gleich erfahren.«
»Was ist es denn?«
»Hab ich das noch nicht gesagt? Oh Gott, es ist ja so wichtig«, stammelte sie.
»Das hatten wir schon, Frau Schober. Aber was ist denn so wichtig?«
»Der Kriminalrat Petersen … Er will Sie sofort sprechen, sobald Sie
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