Schwarzer Neckar
Haaren.«
»Schon möglich«, entgegnete Treidler und dachte an seine schwarze Lederjacke mit den weißen Einsätzen an den Ärmeln. Er blinzelte durch das Sichtfenster der Kassettenlade. »Auf dem Band steht › AC/DC – Highway to Hell‹. Da könnte tatsächlich Rockmusik auf dem Band sein. Hab ich früher viel gehört. Wollen Sie auch mal?«
Melchior schmunzelte ebenfalls. »Ich glaube, das war vor meiner Zeit.«
»Sie geben mir das Gefühl, dass ich alt bin«, gab er zurück. »Sie sind doch bestimmt auch schon fünfunddreißig.«
»Schön wär’s. Ich bin bald vierzig«, sagte sie. »Aber in meiner Jugend habe ich kaum Musik aus dem Westen gehört und Hardrock schon gar nicht. Bei meinem Elternhaus kein Wunder. Auch lange Haare waren bei Männern tabu. Spätestens, wenn sie studieren wollten, kam die Mähne ab. Sonst galt man als subversives Objekt und hat keinen Studienplatz bekommen.« Sie lächelte ihn verschmitzt an.
»Was ist?«
»Ich stelle mir gerade den KHK Wolfgang Treidler als subversives Objekt vor.«
»Und, wie mache ich mich?«
Melchior lachte auf. »Einfach klasse. Fehlt nur noch die schwarze Lederjacke und die langen Haare …«
»Und Cowboystiefel«, ergänzte Treidler.
Melchiors Lachen war so ansteckend und hinreißend, dass er nicht anders konnte als mitzulachen. Ihre dunkelbraunen Augen strahlten ihn an, und mit einem Mal kam ihm das Leben so unbeschwert vor wie seit Jahren nicht mehr. Mehrmals mussten sie die Aufnahme abbrechen und neu starten, weil einer von ihnen dazwischenkicherte. Erst nach einer ganzen Weile hatten sie es geschafft, und Treidler machte sich auf den Weg in den Keller, um das Mineralwasser zu holen. Vor der Treppe war es ihm, als hörte er ganz leise einen dieser neumodischen Klingeltöne. Doch sogleich verwarf er den Gedanken wieder. Er musste sich verhört haben, sein Telefon klang anders. Rasch stieg er die Treppen hinunter.
Es dauerte etwas länger, bis er im Keller zwischen Unmengen von Leergut die Kiste mit dem Mineralwasser entdeckte. Immerhin befanden sich noch ein paar Flaschen darin. Es wurde höchste Zeit, statt des Alkohols etwas Vernünftiges zum Trinken zu kaufen. Er wischte den Staub von zwei Plastikflaschen und ging wieder nach oben.
Auf dem letzten Treppenabsatz drang Melchiors gedämpfte Stimme an sein Ohr. Treidler blieb kurz stehen. Mit wem zum Teufel sprach sie da? Er trat in den Flur der Wohnung und erst jetzt realisierte er, dass sie mit jemandem telefonierte.
»Er ist sauber«, sagte Melchior gerade.
Treidler blieb vor der angelehnten Wohnzimmertür stehen.
»Wie ich schon gesagt habe, ich werde überhaupt nichts mehr unternehmen.« Der Ärger in Melchiors Stimme war nicht zu überhören. »Ich habe es satt, Ihren Spitzel zu spielen. Suchen Sie sich jemand anderen.« Einen Augenblick herrschte Stille, dann folgte ein unterdrückter Fluch.
Mit einem Ruck schob er die Wohnzimmertür auf und trat mit den Wasserflaschen in den Raum. »Wer ist sauber?«, fragte er laut. Er vermochte nicht zu sagen, ob er den richtigen Tonfall getroffen hatte.
Erschrocken fuhr Melchior herum. »Ich habe Sie gar nicht kommen gehört.«
»Dafür habe ich einiges gehört. Für wen wollen Sie nicht mehr den Spitzel spielen? Und wen bespitzeln Sie überhaupt?«
»Wie lange stehen Sie schon dort?«
»Lange genug.«
Melchior ließ ihr Telefon sinken. Ihre Gesichtszüge waren starr. »Ich bin nicht die Person, für die Sie mich halten.« Sie sprach mit einer kraftlosen Stimme, wie er sie noch nie hatte reden hören.
Treidler schluckte. Wen zum Teufel hatte er da vor sich? Welches Spiel wurde mit ihm gespielt?
»Ich arbeite für das Dezernat für Interne Ermittlungen. Wir wurden davon in Kenntnis gesetzt, dass Sie Beweismittel unterschlagen haben.«
Stumm starrte Treidler seine Kollegin an. Wie konnte er sich nur so in einem Menschen getäuscht haben? Eben noch hatte sie angefangen, ihm mehr zu bedeuten, als er jemals zugeben würde. Und jetzt dieser Schlag ins Gesicht. Er ärgerte sich über seine eigene Schwäche.
»Treidler, reden Sie doch mit mir.«
Ihre Bitte prallte an ihm ab wie an einer Wand. Er schaute ein paarmal zwischen den Plastikflaschen in seinen Händen hin und her, dann wieder zu ihr. Mit einem Mal fand er alles an ihr widerwärtig. Ihre dunklen Augen, ihre Lippen und vor allem ihr Gesichtsausdruck, der plötzlich nicht mehr entschlossen, sondern arrogant wirkte.
»Es ist nicht so, wie Sie denken.«
»So? Wie ist es dann?«, platzte
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