Schwarzer Nerz auf zarter Haut
kennen.«
Marie fuhr dreimal nach Westafrika und einmal nach Indien, und nun war sie auf der ›Ozeanic‹, garnierte kalte Platten und wusch den Salat, rührte Salattunke an und verzierte die Essen mit Petersiliesträußchen. Mit Pit, dem Schieler, hatte sie sich schon gleich am ersten Tag angefreundet. Daß sein linkes Auge in die Ecke sah, störte sie nicht. Er hat Herz, sagte sie zu den anderen Küchenmädchen. Er ist treu, das fühle ich. Er hat rote Haare, also ist er leidenschaftlich. Was will man mehr vom Leben, noch?
An diesem Morgen nun holte Pit seine Braut von der Küche des Bellevue-Salons ab. Die Spuren des Jungfernballes waren beseitigt, das Geschirr in den großen Spülmaschinen gesäubert, die Bestecke poliert.
»Gucken wir übers Meer, Pit?« sagte Marie und hakte sich bei ihm unter. Bis die ersten frühen Passagiere an Deck kamen, gehörte ihnen das Schiff nun allein. So ein Morgen auf See ist herrlich. Der Wind dringt bis in die Seele und lüftet sie aus.
»Nö«, sagte Pit und schob die Mütze hin und her über sein stoppeliges rotes Haar. Er sah Marie auf die Brust und kratzte sich die Nase. »Unter Deck ist's auch schön, Deern.«
»Der Morgen ist so schön, Pit.«
»Im Laderaum ist's noch schöner.« Pit umfaßte seine Marie und drückte sie an sich. »Im Laderaum stört uns keiner, Deern. Da geht nur einmal am Tag die Kontrolle durch. Ich habe da eine Ecke eingerichtet, richtig möbliert habe ich sie … hinter drei Kisten …«
Marie wurde rot und lehnte den Kopf an Pits Schulter. Dann legte sie den Arm um ihn und nickte stumm.
Glück ist so selten, dachte sie. Wann war ich jemals glücklich? Man kann es an zwei Händen abzählen. Und Pit ist ein Mann, an den ich mich gewöhnen möchte.
Sie fuhren mit dem Lastenaufzug hinunter zum am tiefsten gelegenen Saunadeck, öffneten dann eine der dicken Stahltüren, auf denen ›Eintritt verboten‹ stand, denn hinter diesen Türen hörte der Luxus auf und der Schiffsalltag begann mit Laderäumen, dunklen Bunkern, winkeligen Gängen, rauschenden Pumpen und stampfenden Turbinen, und küßten sich lange, bevor Pit eine kleine Tür aufstieß, auf der ›L 1‹ stand.
Eine eiserne Wendeltreppe führte hinunter in den unbekannten Bauch des Schiffes. Totale Dunkelheit gähnte ihnen entgegen. Ein Geruch von frischem Kistenholz und Moder stieg empor.
»Da?« fragte Marie und klammerte sich an Pit fest. »Sind da auch keine Ratten?«
»Aber Deern! Wir sind ein Luxusschiff!« Pit nahm die Hand Maries und zog sie zur Treppe.
»Muß das so dunkel sein?«
»Ich habe eine starke Taschenlampe in unserer Ecke.« Pit beugte sich vor und drehte an einem Schalter. In der Tiefe des Laderaumes leuchtete eine Birne auf. »Nu komm, Deern!« sagte er und faßte Marie um die Taille. »Hier unten sind wir sicher … und allein.«
Marie nickte. Wo soll man sich auch lieben, dachte sie. Man muß sich ja verkriechen wie ein Hund. Pit wohnt mit sechs anderen Matrosen in einer Kabine, wir Küchenmädchen hausen zu acht in einem großen Raum. Da ist der Keller der einzige Raum, wo wir allein sind.
Sie stiegen umarmt die Eisentreppe hinunter und blieben auf jeder zweiten Stufe stehen, um sich zu küssen. Dann erreichten sie endlich den Boden des Laderaumes. Das trübe Licht reichte kaum bis zu den vierten Kistenstapeln.
»Endlich allein!« sagte Pit fröhlich und zog Marie wieder an sich. »Bis 12 Uhr habe ich Freiwache, Deern.«
Er wollte sie küssen, als Marie plötzlich steif wurde, als versteinere sie zur Salzsäule wie weiland Lots Weib. Dann riß ihr Mund auf, ein greller Schrei brach aus ihr heraus, ihre Augen drehten sich, sie fiel um, wie ein gefällter Baum, und Pit hatte Mühe, sie aufzufangen.
Da sah auch er, was Marie vor Entsetzen ohnmächtig werden ließ. Langsam ließ er Marie auf den Boden gleiten und wischte sich mit beiden Händen zitternd über das Gesicht.
In einer Ecke des Laderaumes, gleich unter der eisernen Treppe, lag ein Toter.
Er saß an die Wand gelehnt, trug einen schwarzen Smoking und hatte ein kreisrundes, kleines Loch in der Stirn. Seine starren Augen blickten Pit wie in maßloser Verwunderung an.
Kapitän Selbach, der I. Offizier, Dr. Dahl und Harry Linder, ein junger, unscheinbarer Mann mit einem wirren, blonden Haarschopf und einem modernen Kinnbart, standen um den Toten. Harry Linder, den die Reederei als Schiffsdetektiv eingestellt hatte und dessen Aufgabe es war, den immer und auch überall mitreisenden Taschen- und
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