Schwarzer Nerz auf zarter Haut
eine Idee.« Harry Linder schnippte mit den Fingern. »Die Kabinenstewards sollen unauffällig beim Aufräumen und Säubern herumgucken, ob jemand Waffen im Gepäck hat. Am besten läßt sich das während des Frühstücks oder beim Mittagessen machen. Wir haben dann eine zwar unvollständige, aber immerhin doch sehenswerte Liste.«
»Ich werde das anordnen.« Kapitän Selbach kletterte die steile Eisentreppe hinauf zu dem Vorraum, von dem eine dicke Tür zu dem Teil des Schiffes führte, der Sauna-Deck hieß, ein kleines Schwimmbad enthielt, Massageräume, Sportzimmer, Saunas und sogar medizinische Wannenbäder. Drei Heilgymnastinnen und zwei Diplom-Bademeister betreuten hier die Passagiere, die ganz auf ihre Gesundheit bedacht waren. »Was machen wir, wenn es noch einen zweiten Toten gibt?«
Dr. Dahl sah an Selbach vorbei. Es tat ihm weh, das folgende sagen zu müssen: »Da der Tod von Dubois, wie Sie selbst schon angemerkt haben, so sinnlos erscheint, jedenfalls aus unserer Sicht, befürchte ich, daß es noch mehr Tote geben wird.«
»Doktor!« Der Kapitän fuhr zu Dr. Dahl herum. »Unken Sie bloß nicht!«
»Wenn unser Mörder ein Irrer ist, wird er weiter morden, das steht außer Zweifel. Da es beim ersten Mal so gut gelungen ist, wird er weitermachen.«
»Ja.« Dr. Dahl nickte. »Wir können gar nichts tun …«
Der Morgen war herrlich, voll Sonne und salziger Frische, die der Wind vom Meer her über das Schiff trieb.
Auf dem Tennisplatz des Sonnendecks, vor den beiden roten Schornsteinen, spielte Ulrich Renner eine Partie mit dem Bordtrainer. Die meisten Passagiere hatten in ihren Kabinen gefrühstückt und lagen nun in den Bordstühlen auf den Promenaden, an der Reling und um den Lido-Swimming-pool, eingekremt mit Sonnenöl, faul und müde von der durchtanzten Nacht. Die Deckstewards hatten genug zu tun, mit kalten Getränken den Nachdurst zu dämpfen. Nur Sybilla Odenthal schwamm im Pool, ein glitzernder Fisch mit einer leuchtendroten Bademütze.
Langsam stieg Margret Goltz die Treppe zum Tennisplatz hinauf und setzte sich auf die weiße Bank am Rande des Spielfeldes. Ulrich Renner sah sie, winkte ihr zu und spielte weiter.
O Himmel, dachte er, wie sie aussieht! Ein aus dem Nest gefallenes Vögelchen. Sie wird hundert Fragen haben, hundert Vorwürfe, es wird Tränen geben und Beteuerungen … Es ist immer dasselbe, wenn das erste Erlebnis vorbei ist und die Reue wie Brennesseln im Herzen sitzt. Das aber hasse ich so: dieses heulende Elend, sobald das, was jedes Mädchen irgendwann einmal hinter sich bringen muß, tatsächlich geschehen ist. Ob mit 17 oder mit 27, es ist keine Sache des Alters, sondern des Gefühls. Und du hast Gefühl, mein Püppchen, viel Gefühl. Ich nehme an, du hast es selbst bis heute nacht nicht gewußt …
Margret sah dem Spiel zu und stützte den Kopf in beide Hände. In ihr tobte etwas, das sie bisher an sich noch nicht wahrgenommen hatte.
Das bist du also, dachte sie und übersah ein neuerliches Winken Renners, der einen Satz gegen den Tennislehrer gewonnen hatte. Du kannst Tennis spielen, während ein Mädchen die Nacht durchgeweint hat und sich nach einem Wort von dir sehnte, nach deinen Zärtlichkeiten, nach der so wichtigen Brücke von Liebe und Vertrauen, die gebaut werden muß, wenn man das hinter sich hat. Heimlich bist du weggeschlichen wie ein Dieb, und ich traue dir zu, daß du wieder an der Bar gesessen hast und mit anderen Frauen geflirtet hast. Was du erreichen wolltest, hast du bekommen, was geht dich jetzt das gerupfte Gänschen an? Mag es frieren, die Federchen wachsen schon nach, und über das andere kommt man auch hinweg. Es gehört zum Leben, man entwickelt sich, aus jeder Blüte wird einmal eine Frucht.
Sie verzog die Lippen, als sie Renner laut lachen hörte, warf den Kopf zurück und ließ die langen, blonden Haare im frischen Morgenwind wehen. Der Tennislehrer sah zu ihr hinüber, und sie lachte zu ihm zurück, bewußt provozierend, die langen Beine übereinander schlagend, den Oberkörper dehnend, damit sich die festen Brüste durch die weiße Bluse drückten.
Ulrich Renner hatte den zweiten Satz beendet. Er wischte sich mit einem weißen Frottierhandtuch den Schweiß vom Gesicht, schlang das Handtuch flott um den Hals und machte einen Sprung über das Netz.
»Hallo, Baby!« rief er. Der Tennislehrer ging zu einem kleinen Tisch, auf dem einige Gläser, eine Flasche Orangensaft und ein Siphon standen, und goß sich ein Glas ein. Ulrich Renner
Weitere Kostenlose Bücher