Schwarzer Nerz auf zarter Haut
herauszuholen. Zum Vorschein aber wird eine Pistole kommen. Glaubst du, ich bin nur ein schönes Lärvchen?
»Zigarette?« fragte der Mann höflich.
Das Lächeln Sybillas verstärkte sich. »Danke«, sagte sie ebenso höflich. »Ich habe heute schon zuviel geraucht. Aber wenn Sie möchten …« Sie beobachtete scharf seine Hände. Aber er schien auch keine große Lust zu haben und lehnte sich etwas auf dem Bett zurück.
»Es gibt eigentlich keine Probleme«, sagte der Mann. »Ich könnte mich an Dr. Hergarten selbst wenden. Natürlich würde er nie verraten, wo er seine Aktentasche mit den Plänen versteckt hat …«
»Sie haben sie ja schon gesucht. Es war eine stümperhafte Arbeit.«
Der Mann hob die Schultern. Über sein Gesicht glitt Unmut. »Die Kabine hat keinen Tresor, ich habe alles abgetastet und abgeklopft. So etwas gibt es nicht, habe ich mir gesagt. Man kann Papiere nicht verstecken, als seien sie gar nicht mehr da. Ich gebe zu, auch ich bin zuerst auf Ihren Trick hereingefallen, als Sie in Cherbourg an Bord kamen. Ihre erste Begegnung mit Hergarten, als sei es ein Zufall, das war gut gespielt. Aber dann bekam ich ein Telegramm. Es enthielt Ihre Beschreibung, und da war mir alles klar. Sie sind Hergartens personifizierte Sicherheit. Zugegeben: Ein wunderschöner Schutzengel! Aber in unserem Beruf sind solche Feststellungen nur rhetorischer Art. Wollen wir also offen reden.«
»Was Sie zu sagen haben, wird nicht viel sein«, antwortete Sybilla kurz. »Sie verschwenden Ihre Zeit.«
»Die Pläne sind bei Ihnen, das ist mir jetzt klar.«
Sybilla hob den Kopf und lachte laut. Dann brach das Lachen abrupt ab, als der Mann vom Bett aufsprang.
»Bleiben Sie, wo Sie sind!« sagte sie hart. »Um ganz klar zu sein: Die Pläne sind nicht bei mir!«
»Bei Hergarten auch nicht. Aber sie sind auf dem Schiff. Ich frage Sie: Wo?!«
»Vielleicht setzen Sie eine Anzeige in die Bordzeitung? ›Agent sucht Raketenpläne. Wer kann mir helfen?‹«
Der Mann lächelte sauer. Zwischen ihm und der schönen Frau in dem langen, goldenen Kleid gab es nun keine weiteren Worte mehr. Er hatte mit dem Überraschungsmoment gerechnet, als er aus der Badekabine hervorkam, aber Sybilla war schneller gewesen. Wer konnte auch ahnen, daß sie in ihrer Abendtasche statt Lippenstift und Puderdose eine Waffe mit sich führte? Nun war sie im Vorteil, aber wie lange noch? Es gab viele Möglichkeiten, sie abzulenken – eine Sekunde nur, aber diese Sekunde genügte, sie anzuspringen und ihr die Pistole aus der Hand zu schlagen.
Der Mann stellte sich an die Wand, den rechten Fuß nach hinten gegen das Holz gestützt, bereit, sich mit einem wilden Schwung abzustoßen und auf Sybilla zu werfen. Er musterte die schöne Frau und tastete sie mit Blicken ab. Man muß sie mit einem Handkantenschlag treffen, genau auf das Handgelenk. Die Pistole wird dann zu Boden fallen, vielleicht wird sie sich den Arm dabei brechen. Schade drum, schöne Dame … es wird weh tun, aber wer in unserem Beruf arbeitet, darf nicht kleinlich sein.
»Sie wissen, wo die Pläne sind?« fragte der Mann ruhig.
»Natürlich.« Die Antwort kam frei und furchtlos.
Der Mann im Smoking senkte etwas die Lider. Mut hat sie, dachte er. Unwahrscheinlichen Mut. Sie muß ahnen, was mit ihr geschieht, wenn ich sie überrumpele. Es gibt Methoden, die den verschlossensten Mund öffnen. Methoden, bei denen Stumme zu Sängern werden. Man hat so etwas gelernt, in Vietnam, in China, in der Mongolei, im Kongo …
»Wollen wir es nicht friedlich machen?« sagte er langsam. »Einer schönen Frau wird man vergeben, wenn sie in auswegloser Situation ohnmächtig wird!«
»Ich weiß gar nicht, warum Sie noch reden?« Sybilla sah den Mann kalt an. Ihre Pistole zeigte genau auf seine Brust. »Sie sind in meine Kabine eingedrungen, Sie wollen die Pläne Hergartens, Sie sagen offen, daß Sie für Ihren Auftrag zu allem bereit sind. Also seien Sie bereit zu sterben. Die Pläne Hergartens, in falschen Händen, könnten den Weltfrieden empfindlich stören und das Kräftegleichgewicht der großen Staaten verschieben. Und nicht zum Guten.« Die Stimme Sybillas wurde dunkel. »Ich bin lange genug dabei, um zu wissen, was Sie vorhaben. Ich weiß, daß Sie mich zwingen könnten, das Versteck zu verraten. Auch ich bin nur ein Mensch, der eine gewisse Schmerzgrenze aushalten kann. Deshalb, lieber Kollege, muß ich so gnadenlos sein wie Sie. In jedem Spiel gibt es einen Verlierer …«
Der Mann im Smoking
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