Schwarzer Nerz auf zarter Haut
hob ruckartig den rechten Arm. Er zeigte zur Tür hin.
»Da drückt jemand die Klinke herunter!« schrie er.
Sybilla fuhr herum.
In diesem Augenblick stieß sich der Mann von der Wand ab und warf sich mit einem verzweifelten Satz auf die zurückzuckende Frau im goldenen Abendkleid.
Eine Viertelstunde später rief Franz Hergarten Kabine 106 an. Sybilla meldete sich erst nach viermaligem Klingeln.
»Die Wahl war eine Idee von Mr. Hopkins und Jerome Dubois«, sagte Hergarten. »Zufrieden, Liebling?«
»Ja. Ich danke dir. Gute Nacht.«
»Gute Nacht, Liebes.«
»Was tust du jetzt?«
»Ich sitze nackt vorm Spiegel und schminke mich ab.«
»Es muß ein berauschender Anblick sein.«
»Im Moment sehe ich aus wie ein Clown.«
»Ich liebe dich, Sybilla.«
»Gute Nacht, Liebster.«
Franz Hergarten legte nachdenklich den Hörer auf.
Ich liebe sie wirklich, dachte er. Was soll mit Lisa werden? Oder ist alles nur ein Rausch, der verflogen ist, wenn ich das Pflaster New Yorks betrete? Machen Meer, Wind und Sonne den Menschen zu einem Phantasten der Liebe?
Er ging zur Bar zurück, wo nur noch Hopkins saß und einen Bourbon trank.
»So nachtragend, lieber Freund?« Der Hosenträgerfabrikant klopfte Hergarten auf die Schulter. »Warum sind Sie überhaupt allein und nicht längst in den Federn? Bei solch einer Frau?«
»Sie sind ein rauher Bursche, Mr. Hopkins. So etwas brauche ich jetzt. Ich muß Ihnen etwas gestehen: Ich bin verheiratet.«
»Das ist mir klar!« Hopkins lachte schallend. »Um so dämlicher ist es, jede Minute ohne diese herrliche Frau zu verleben. In New York fehlen die Ihnen zur Erinnerung …«
»Ich war bis heute glücklich verheiratet. Meine Frau ist schön, fleißig, treu, ehrbar. Sie würde mich niemals betrügen.«
»Das erwartet man auch von keiner guten Ehefrau. Aber was hat das mit Ihnen zu tun?«
»Ich liebe Sybilla Odenthal.«
»Wer täte das nicht?«
»Ich müßte meine Frau betrügen.«
»Wenn alle Ehemänner so jammern würden wie Sie, wäre die Welt ein einziger Zitterchor.«
»Ich weiß, daß ich meine Frau vergessen werde, wenn ich Sybilla liebe. Unsere Ehe bräche dann auseinander.«
Sam Hopkins sah Hergarten mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Man soll Scheidungsanwälte nicht verhungern lassen, es sind auch Menschen. Würde Sybilla Sie denn wirklich heiraten?«
»Ich glaube, ja …«
»Sie haben ein Glück!« Hopkins rutschte vom Barhocker. »Die miesesten Hähne haben die schönsten Hühner, das soll einer begreifen.«
Mit starrem Blick sah Hergarten dem Amerikaner nach, wie er zur Tür schwankte. Das Siegerpaar war auch gegangen, gemeinsam. Sie haben nicht solche Hemmungen, dachte er. Aber sie sind ja auch nicht glücklich verheiratet wie ich.
Er blieb allein an der Bar hocken bis fünf Uhr morgens. Dann brachte ihn ein Decksteward zu seiner Kabine und legte ihn auf das Bett.
Über dem Atlantik dämmerte der Morgen. Die stolze, weiße ›Ozeanic‹ durchschnitt die Wellen, die sich im aufglühenden Sonnenschein golden färbten. Eine Matrosengruppe war dabei, das Sonnendeck zu schrubben. In den Sälen nahmen die Stewards vom Morgendienst die Girlanden ab. Die Kellner stellten die Tische und Stühle in den Speisesälen wieder normal nach Plan. Auf der Kommandobrücke wurde der III. Offizier abgelöst vom II. Navigator. Auch die Funker lösten sich ab.
Ein neuer Tag begann. Ein sonniger Tag mitten auf dem Meer.
Die Borduhr zeigte 6 Uhr.
Der Maschinist Pit, den man auf der ›Ozeanic‹ den ›Schieler‹ nannte, weil sein linkes Auge etwas außerhalb der Richtung gekommen war – eine Vererbung, denn schon sein Vater und sein Großvater schielten erbärmlich –, hatte Freiwache und holte aus dem Restaurant Bellevue seine Freundin, die Marie, ab.
Marie war auf der ›Ozeanic‹ als Küchenhilfe angestellt. Sie war ein dralles Bauernmädchen aus dem Marschland, das neunte Kind unter zwölf Geschwistern. Auf dem kleinen Hof hinter dem Deich gab es für sie keine Arbeit mehr, die machten die älteren acht Geschwister. Umsonst essen wollte sie auch nicht, denn es kam ihr vor, als zähle man jeden Bissen ab, den sie hinunterschluckte, und in allen Augen sah sie das stumme Zählen: Schon wieder für eine Mark gegessen, ohne daß sie dafür etwas tat.
So war sie nach Hamburg gefahren, hatte ein Jahr in einer Seemannskneipe hinter dem Tresen gestanden, bis ihr jemand sagte: »Mädchen, komm aufs Schiff. Die großen Pötte suchen immer Küchenmädchen. Da lernste die Welt
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